Epitaph
Der gute Mann,
den wir zu Grabe tragen,
Sieht wächsern aus und scheint erstarrt zu sein.
Doch war er so verliebt in allen Schein,
Daß man sich hüten muß, ihn tot zu sagen.
Er liebte es in
allen Lebenslagen
Dem Unerhörten nur Gehör zu leihn.
Umgeben so von hundert Fabulein
Kann man nur zögernd ihm zu glauben wagen.
Drum, wenn auch
jetzt sein schmaler Maskenmund
Geschlossen liegt und nicht mehr sprechen mag:
Er lauscht vielleicht nur in den Schöpfergrund ...
Und steht dann
wieder auf wie jeden Tag.
Laßt ihn getrost bei seinem Leichenspiele.
Er lächelt schon und wir sind kaum am Ziele.
Erstdruck in:
Neue Rundschau (Berlin/Leipzig),
39. Jg., 1928.