Die Amalekiterin

1.

Sag mir deinen Namen. Das Einzige,
das dir gehört, Tochter Amaleks.
Was hast du daneben?

Du hast keinen Mythos, 
du hast keine Sendung, du hast
nur ein Schicksal,
das hat kein Gewicht.

Also

was hast du verloren, hinkende Hirtin,
in diesem Land, das dir heilig ist,
aber andern verheißen -
ein Schaf, einen Fuß?

Du hast deine Geschichte verloren.

Ach, die Generationen von Lämmern,
die Brunnen, Steinöfen, Olivenhaine:
Dein Wasser für die Esel Chamors,
dein Fladenbrot für die Tempelritter,
dein Olivenöl für die Sultane,
deine Hammel für das englische Stew -

nicht tauglich
zu metaphysischer Legitimation.

Die nackte ungeschützte Existenz,
das Wandeln auf nie hinterfragten Pfaden
unter dem alten unteilbaren Himmel,
die wiederkäuende Anspruchslosigkeit
deiner Herde, die aus Zisternen Abrahams trinkt -

sie reichen nicht,
ein Recht zu reklamieren.

2.

Dein schuhloser Beinstumpf.
Ich sehe die Narben.
Ein verlorenes Lamm im Minenfeld.

Unruhe fährt in die Herde.
Der Weg zu den Tränken, den Kräutern -
durch einen Zaun blockiert.
Du zuckst mit der Schulter.
"Dort, so hatte der Vater erzählt,
ließ der Urgroßvater das Vieh
der Siedler
rasten und trinken..."

Aber dein Name, ruf ich dir nach.
Die Krücke, eine abwinkende Geste
über den Hälsen der Herde.
Dein Lachen erstickt
im Schafsgeblök.

Gottwalt Pankow (Hamburg)
gottwalt-pankow@antiquariat-pabel.de