LyrikZeit ... die Spur von

Inhalt gez. Pony
E-Mails von: Thomas.Schroth@psych.med.uni-erlangen.de
 

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Manchmal, morgens, wenn
Ich mit den ersten Vögeln mich kurz unterhalte;
Auf vöglisch selbstverständlich
Über ernste Angelegenheiten rede! Dann

Kurz vor dem Traum ist wenn
Ich meine Phantasie entfalte,
Und augenblicklich
Jede Sprache, nur nicht meine, sprechen kann.
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TOSKANA 1999

Denn Nachts,
Wenn sich die wilden Frühlingshimmel biegen,
Im weinverrauchten Kinderlachen
Gedanken - und auch andre Sachen -
In dem unberuhigten Magen liegen,
Vergehen diese Stunden wie die Abendfarben
Dieser grünen Großnatur,
So mond- und blaugebleit.

Denn Tags,
Wenn eben jene Himmel voll sind von den Narben,
(die den Jäger durch die Wolken brüllen,
der etwas später dann und weit entfernt Geschichte schreibt...);
Das folgert jenes unbedachte Stolpern, welches Echsen in die Ecken treibt,
Die dann das Dickicht umso dichter füllen.
Dieses Dickicht, dem wir unverstanden dienen!
Dieser große Wahnsinn,
Andersab- und artigkeit.

 

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Aromagarten

Abendsonne, Aromagarten:
Nur Nachts bist du für dich allein.
Manchmal erlaubst du mir bei dir zu sein
Und ich erstehle mir verbotne Zeit bei deinen Arten.

Mit dir zu atmen schmeckt wie eine andre Welt,
In dir zu denken läßt mich weicher werden;
Und nach dem Regen duftest du aus deinen dunklen Erden
Wie frischgewaschnes Haar - nah über uns das Himmelszelt...

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Entstehung, Verwirrung & Untergang
eines Gedichts

Wenn der weiße Wahnsinn nach mir greift,
Die Nächte mir den Kopf zerquetschen;
Und manchmal zieht es mich noch tiefer,
Viel tiefer als ihr es begreift!

Ein wenig mehr von dem Zersetzen
In das Unbekannte. Intensiver,
Wie es durch Gedankenfetzen streift,
Intensiv ist mein Entsetzen!

Und belehrt in dem "Alleine"
Bin ich leerer als ich wollte;
Nur ganz selten ist Zufriedenheit.
Doch Kreativität ist, wenn ich weine:

Tränen tränken meine Finger, ja, ich sollte
Sie mehr nutzen, diese Flüssigkeit
Der Künste - sie behindert nicht so sehr die Beine
Wie die andre, ungewollte...

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Nikotin

Die kurzen Züge, nüchtern, Lungenleere -
Die Zigarette glimmt noch und verbrennt.
Mein Blut, noch leer, noch arm, noch ungehemmt
Verteilt verworren fremde Stoffe voller Schwere.

Mein Fühlen schrumpft zu einer dichten Masse,
Und alles wird so millimetergroß -
Ein Trip nach Mexico ist ein Gedanke den ich fasse,
Ein Stück von Afrika verschmilzt mit meinem Schoß.

Dann folgt ein wenig Übelkeit,
Ein kleines bißchen Angst vor dem Begreifen;
Ich gebe auf und lasse mich zurück zum Alltag schleifen,
Zurück in mein bekanntes Stückchen Endlichkeit!

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Erhabenheit

Im dunklen Augenblick, in warmen Stunden
Umspannt der Blick die Hinterwände;
In sich geblendet; Große Hände
Umspannen jeden Zoll von meinen Wunden.

Im dunklen Augenblick, in mir gefunden
Erblassen alle Ängste und verdichten sich
Zu einem Klumpen schrumpfend aus dem Überich:
Und schwerst geworden brech ich in das Erdumrunden!

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Meilensteine

Zwischen diesen Nestern, diesen Städten
Führen Wege rastlos hin und her;
Teergiganten durch ein dürres Meer -
Teergiganten, Leichenbetten.

Wir, die Nutzer zahlen Assassinenzoll!
Wir, die Fallensteller jagen Meilensteine,
Bauen, Blutbildhauer, die Gebeine
Ungestaltet, krampfverkrüppelt, Wut zu Toll:

Erste Meile: .....Hirsch mit abgerissnem Hals -
Zweite Meile: ...Fuchshirn in Gedärmeschmalz -
Meile Zehn: ......ein Haarblutklumpen, nett zu sehn-

Irgendwann dann zartzerquetschte Augen eines Rehs;
Doch wir müssen weiterfliehn,
Wir, die Killer und Gourmets!

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Menschenvergessen

Mit Schwänen eingeschlafen;
Ein Stückchen nur mit zugesehen,
Die Scheu gespürt und dann den Tod vergessen.

Geatmet mit der Nacht, der Müdigkeit, dem Miteinander,
Und ruhig geworden in der Stille.

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Der Rattenkreuzzug
(frei nach Bert Brecht´s Kinderkreuzzug)

In China, im Jahr Achtundneunzig
War eine gräßliche Flut
Die hatte viel Städte und Dörfer
Vernichtet in ihrer Wut.

Die Schwester verlor den Bruder
Die Frau den Mann im Meer;
Zwischen Wasser und Trümmerstätte
Fand das Kind die Eltern nicht mehr.

Aus China ist auch was gekommen
Ein verlogener Zeitungsbericht.
Doch in den östlichen Ländern
Läuft eine seltsame Geschicht.

Regen fiel, als man sichs erzählte
In einer östlichen Stadt
Von einem Rattenkreuzzug
Der in China begonnen hat.

Da trieben die Ratten hungernd
In Trüpplein hinab den Yangtse
Und nahmen mit sich andere, die
Auf unterfluteten Dachgiebeln stehn.

Sie wollten entrinnen dem Schlachten
Dem letzten Hungerjahr
Und eines Tages kommen
In ein Land, wo Futter war.

Da war eine kleine Führerin
Das hat sie aufgericht´.
Die hatte eine große Sorge:
Den Weg, den sah sie nicht.

Und immer mehr schwoll der Yangtse
Da konnten sie es riechen.
Mit ihren spitzen Schnauzen konnten
Sie in die Leichen kriechen.

Bei all dem guten Fleisch im Wasser
Gab es für Biologen zu entdecken:
Im Überfluß sind Ratten nichtmal Rassenhasser
Sie ließen es auch Mäusen schmecken.

Das Ende nun von der Geschicht
Beschreibt noch das Sozialgewissen.
Denn vor dem nächsten Seucheneinsatz
Vor den ersten Menschenschüssen

Nahmen sie die letzten Bissen.
Und verschwanden ungesehn.
Nur die Menschenreste zeugen
Von der Rattenreise auf den Yangtseseen!

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Vielleicht ein Gebet

In sonnenstrahlvertrockneten Gedanken
Sitze ich mit steinzerbeißendem Gesicht
Und verwirre worteordnend ein Gedicht,
Z{h, indem ich Zeilen ziehe zwischen Schranken!

Tischverstohlen fallen meine Finger an den Mund
Für den Sauggenuß der leeren Stunde;
In dem Käfig Kopf dreht Rund um Runde
Dieser herrenlose, ichzentrierte Hund.

In der weltbereisten Kneipe Meeresrauschen
Kahlen Köpfe unter unbestimmten Lüsten -
Manche Flaschenpost wird ein Gebet im Klosterteich!

Und ich bin am wortetauschen,
Suche Wasser in den Wüsten
Meiner Hirnendlosigkeit!

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Egal wo du bist

Um dich herum zerbricht rhythmisch Wasser,
Sand schmirgelt die Fußsohlen glatt.
Und du sitzt da,
Mit einem formvollendeten Kugelschreiber
Sitzt du da;
Und es könnte genausogut Großstadt sein,
Und genausogut glattes Parkett!

"wie du denkst, wie du dichtest,
so verkrampft das belichtest
was im Dunkel dich quält -
in dem Dunkel des Tages,
dieser Angstmacher mag es
wenn man sich mal verzählt"

Mit diesem formvollendeten Kugelschreiber sitzt du da
Und ermüdest an deiner Kreisdreherei;
Dieser unsteten Flucht in die Fluchtlosigkeit...

... oft hab ich am Morgen
geträumtes vergessen.

^up
Bürgerbitte
(frei nach: "Herbsttag" von Rainer Maria Rilke)

Herr: es ist Zeit. Der Wahlkampf war sehr groß.
Leg Tatendrang in all die Wahlversprechen,
Und auf die Lügen laß die Hunde los.
Befiehl den Machthabenden klug zu sein;
Gib ihnen keine Krisen für die ersten Tage,
Dräng sie zum Miteinander hin und jage
Ehrlichkeit (und etwas Spaß) in sie hinein.
Wer jetzt nicht Arbeitsplätze schafft, dem glaubt man nimmermehr,
Wenn jetzt die Steuern steigen wird man wütend werden,
Wird schimpfen, seine Meinung ändern und erhärten
Und wird in Streiks und Demos immer hin und her
Unruhig wandern, oder in den eigenen vier Wänden.

up^
Unbelievable Stupid Action
(inspiriert von: "Weltende" von Jakob van Hoddis)

Den Präsidenten plagt Lewinsky-Stress;/
Im Fernsehn stehn die Bürger mit dabei,/
Und ist die Mehrheit mit ihm, ist sie doch entzwei/
Geteilt - es warten Wahnsinn, Lähmung, ein Prozess!/

Und während in der Welt die Katastrophen/
Nichts weniger beschäftigt als Affären,/
Da kümmern sich Politiker um Hosen,/
Und wo sie offen mal gewesen wären.../

 

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