Der gefallene Cherub

Er kreiste um die gläsernen Pilaster
Und hob die Stimme, daß er gellend riefe.
Es glänzte seines Fluges Hieroglyphe
Im Tempelbau der großen Zoroaster.

Da war's, als ob der Atem uns entschliefe.
Es sank sein Haupt, wie eine Riesenaster,
Umhüllt von schweren Schwingen seiner Laster
Verschlang ihn eine bodenlose Tiefe.

Wir sahens wohl und uns beschlich ein Sehnen
Nach Untergang und gallgetränkten Tränen
Zu schlürfen aller Trauermeere Flut.

Vergiftet fühlten wir das eigene Wähnen
Und ein Verlangen, uns dort anzulehnen,
Wo der versunkenste der Engel ruht.

Entstanden zwischen 1921 und 1924.
Erstdruck in: Gesammelte Gedichte.
Hrsg. Annemarie Schütt-Hennings,
Zürich (Die Arche) 1963