Die romantische Perspektive (2)

zum Beispiel die romantische Poesie anfangs 19. Jh.

»die romantische Poesie ... allein ist unendlich,
wie sie allein frei ist, und erkennt als erstes Gesetz an,
dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide.«

Friedrich Schlegel

Die romantische Perspektive wird nicht einfach durch die der Epoche der Romantik (ungefähr 1798 - 1830) zugeordneten Künstler, Kunstwerke und ihrer eigenen Theorien darüber repräsentiert. Dort sind bloß gewisse Aspekte, welche ich dazu zähle, besonders hervorgehoben worden. Kunstwerke wie literarische Werke sind mit bestimmten Stilmerkmalen jener Künstler geschaffen worden. Doch die romantische Perspektive lässt sich auch mit ganz anderen Stilmitteln und Inhalten als mit den „goldenen Bildern“ Brentanos oder Eichendorffs immer wieder neuartig ausdrücken.

Zwanghafte Realisten neigen zu ängstlicher Abwehr des schönen Träumens. Heine dichtete ironisch:

Ach! jenes Land der Wonne,
das seh ich oft im Traum;
doch kommt die Morgensonne,
zerfließt’s wie eitel Schaum.

aus Heinrich Heines Gedicht:
„Aus alten Märchen winkt es“ 1822/23

... aber Heine, missverstanden als „Liquidator der goldenen Bilder“, war selbst ein Meister der romantischen Ironie. Er postulierte sogar, dass die universale Kunsttheorie ein romantisches Kunstwerk sein sollte.

Die romantische Ironie verstand sich als Zusammenspiel von “Selbstschöpfung und Selbstvernichtung”, ein nicht festlegbares, sich selbst transzendierendes Denken und Schreiben, das Alternieren von Bejahen und Verneinen, das Wissen um die Vorläufigkeit und Begrenztheit aller Wahrheitsaussagen.

Das ironische Subjekt der Romantiker verzichtet auf eine feste Identitätsbasis und fluktuiert zwischen Selbstschöpfung und Selbstvernichtung. Das gibt dem Ich erst seine Freiheit, ermöglicht sein kühnes Spiel mit sich und der Welt außer sich!

Auch Nietzsche hat kräftig aus diesem Quell geschöpft. Er setzt der Tragik des Lebens "die wahrhaftig ernst zu nennende Aufgabe der Kunst" entgegen mit dem Ziel, "das Auge vom Blick des Grauens der Nacht zu erlösen und das Subjekt durch den heilenden Balsam des Scheins aus dem Krampfe der Willensregungen zu retten" (1872), so können die üblen Erfahrungen in Schönheit umgewandelt werden.

antonio cho

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