Gnosis (griech. Erkenntnis)
Was war ich?
Was bin ich?
Was werde ich sein?
Die Gnosis ist eine Erfahrung oder
bezieht sich auf eine mögliche innere Erfahrung, die zu einem unverlierbaren
Zustand werden soll und durch die der Mensch — in einer Erleuchtung, die
sowohl Wiedergeburt als auch Vergottung ist — sich wieder in seiner Wahrheit
ergreift, sich seiner erinnert und sich wieder auf sich selbst besinnt, das
heißt zugleich auf seine wahre Natur und seinen wahren Ursprung; dadurch
erkennt er sich in Gott, erkennt sich in ihm wieder, er erkennt Gott und
erfährt sich selber als Emanation Gottes und als fremd in dieser Welt. So
erlangt er mit dem Besitz seines wahren «Ich» und seines wahren Standes die
Erklärung für sein Schicksal und die endgültige Gewissheit seines Heils,
erfährt er sich doch als ein Wesen, das — de jure und von Ewigkeit her —
erlöst ist.
Henri-Charles
Puech: Phänomenologie der Gnosis. |
Bei Platon ist Gnosis Erkenntnis
des wahrhaft Seienden, manchmal bedeutet der Begriff auch
"Wissenschaft" als Voraussetzung für rechtes Handeln.
Ausstrahlung auf den ganzen Mittelmeerraum, Verbindung mit orientalischen
Anschauungen - in Ägypten (griechische Übersetzung des Alten Testamentes /
Septuaginta / LXX):
Gnosis = Kenntnis des Lebens und seiner Gegebenheiten
Gnosis = Erkenntnis Gottes als Ewige Weisheit für den Menschen
Im Neuen Testament: eine Gabe des Heiligen Geistes, die den menschlichen Geist ergreift, und den Gläubigen am Geheimnis Jesu teilhaben lässt. Gnosis ist hier Erkenntnis der christlichen Heilswahrheit.
Nachantike, nicht(-nur)christliche Gnosis:
Spekulativ-mystische Denkweise mit jüdischen,
christlichen, persischen, babylonischen, ägyptischen und griechischen
Elementen. |
Für die Kirche war die Gnosis eine gefährliche Ketzerei, welche die christlichen Heilsgeschehnisse einzuschmelzen drohte und vergeistigend umdeutete:
Der Kosmos sei von unzähligen Geistwesen durchwaltet, über denen die Welt der Ideen und darüber der himmlische Logos samt seinem Urheber, Gott, thronen.
Gott ist als reiner Geist, als das Gute, der Materie, dem Bösen entrückt.
Aus Gott sind in Emanationen die Sonnen hervorgegangen, wodurch sich das Lichtreich mit der Materie vermischte.
Keine wirkliche Menschwerdung des Gott-Sohnes: Im Ion des Logos (Christos) vollzieht sich die Entmischung des Lichtes aus der Materie, die Erlösung.
Der Logos lehrt den der Materie unterworfenen Menschen den Weg des Aufstiegs. Die G. ist das Wissen um die Stufen des Aufstieges, den der Mensch kraft seiner Geisteskräfte u. durch die Ausscheidung alles Materiellen vollzieht: vom fleischlichen (Hyliker) über das seelische (Psychiker; auch Pistiker = einfacher Gläubiger) durch Einweihungen zum geistigen Wesen (Pneumatiker).
Gnostische Theologen wollen die Theologie nicht als einen auf äußere Autorität gestützten Volksglauben, sondern als intutive (wissenschaftliche) Ergründung des Evangeliums verstanden haben.
Gnostische Vereinigungen hatten eigene, geheimzuhaltende kultische Riten. Geheime Traditionen (oft auf Jesus und die Apostel zurückgeführt) spielten eine große Rolle. In den gnostischen Ritualen wurde teilweise auch die spätere Entwicklung des geistbezogenen Christentums vorausgenommen.
Die Gefahr unheilbringender Gnostik
(Zerstörung der Realität!) wird von gewissen rational gläubigen Autoren
überall gesehen: in Reformation und Puritanismus ebenso wie in neuzeitlichen
Philosophien (z.B. bei Joachim von Fiore, Hegel, Marx, Nietzsche, Heidegger), im
Kommunismus, Nationalsozialismus ebenso wie in Positivismus, Liberalismus und
vor allem der Psychoanalyse. Es ist letzlich die Gefahr der Individualisierung
der Wahrheitssuche, die Loslösung vom Glauben an Autoritäten:
der gnostische Mythos handelt, sowohl in religiösen wie
atheistischen heilsgeschichtlichen Dramaturgien, vom Fall, der Verblendung und
schließlich dem Wiedraufstieg der Seele (Ich, Selbst) dank der Einsicht in die
Göttlichkeit des eigenen Selbst. So sei z.B. der Zweck der Lehren des
marxistischen oder anarchistischen Sozialismus, dem Menschen die
Auseinandersetzung mit der Realität zu erleichtern, indem sie ihn davon zu
überzeugen vermag, daß das Wertwidrige im Rahmen eines Heilsgeschehens
notwendig sei, aber ebenso notwendig überwunden werden müsse.
Gnostizismus = die einzelnen Systeme der Gnosis.
In seinen Wurzeln älter als das Christentum, blüht er im 2. Jh. n.Chr.. und geht im 3. Jh. im Manichäismus auf.
Die ältesten Gnostiker sind u. a. Simon der Magier und Menander, beide aus Samaria.
Die späteren Systeme:
- alexandrinische Gnostik von Basilides und Valentinus, der das
kunstvollste gnostische System aufbaute
- syrische Gnostik von Saturninus, Tatian, Julius Cassianus,
Marcion, Karpokrates u. a.
erhaltenen Handschriften der Gnostik: u.a. die "Pistis Sophia", die beiden Jeu-Bücher, die 1946 u. a. gefundene "Botschaft der Wahrheit" aus der Schule des Valentinus
gnostische Lehren in den Schriften der
gegen sie auftretenden Kirchenväter:
etwa bei Justin, Irenäus, Tertullian, Hippolyt
theologisch-christliche Lehren im
Zusammenhang mit den gnostischen Systemen:
etwa bei Klemens von Alexandrien und bei Origenes
Rudolf Steiner selbst schreibt in dieser Zeitschrift und über sie folgenden Artikel:
«Luzifer» und «Lucifer-Gnosis»
Sogleich bei der Begründung der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft erschien es mir als eine Notwendigkeit, eine eigene Zeitschrift zu haben. So begründeten denn Marie von Sivers und ich die Monatsschrift «Luzifer». Der Name wurde damals selbstverständlich in keinen Zusammenhang gebracht mit der geistigen Macht, die ich später als Luzifer, den Gegenpol von Ahriman, bezeichnete. So weit war damals der Inhalt der Anthroposophie noch nicht ausgebildet, daß von diesen Mächten schon hätte die Rede sein können. — Es sollte der Name einfach «Lichtträger» bedeuten. Obwohl es zunächst meine Absicht war, im Einklang mit der Leitung der Theosophischen Gesellschaft zu arbeiten, hatte ich doch vom Anfange an die Empfindung: in Anthroposophie muß etwas entstehen, das aus seinem eigenen Keim sich entwickele, ohne irgendwie sich, dem Inhalte nach, abhängig zu stellen von dem, was die Theosophische Gesellschaft lehren ließ. - Das konnte ich nur durch eine solche Zeitschrift. Und aus dem, was ich in dieser schrieb, ist ja in der Tat das herausgewachsen, was heute Anthroposophie ist. So ist es gekommen, daß gewissermaßen unter dem Protektorate und der Anwesenheit von Mrs. Besant die deutsche Sektion begründet wurde. Damals hat Mrs. Besant auch einen Vortrag über Ziele und Prinzipien der Theosophie in Berlin gehalten. Wir haben Mrs. Besant dann etwas später aufgefordert, Vorträge in einer Reihe von deutschen Städten zu halten. Es kamen solche zustande in Hamburg, Berlin, Weimar, München, Stuttgart, Köln. — Trotz alldem ist nicht durch irgend welche besondere Maßnahmen meinerseits, sondern durch eine innere Notwendigkeit der Sache das Theosophische versiegt, und das Anthroposophische in einem von inneren Bedingungen bestimmten Werdegang zur Entfaltung gekommen. Marie von Sivers hat das alles dadurch möglich gemacht, daß sie nicht nur nach ihren Kräften materielle Opfer gebracht, sondern auch ihre gesamte Arbeitskraft der Anthroposophie gewidmet hat. - Wir konnten wirklich anfangs nur aus den primitivsten Verhältnissen heraus arbeiten. Ich schrieb den größten Teil des «Luzifer». Marie von Sivers besorgte die Korrespondenz. Wenn eine Nummer fertig war, dann besorgten wir selbst das Fertigen der Kreuzbänder, das Adressieren, das Bekleben mit Marken und trugen beide persönlich die Nummern in einem Waschkorbe zur Post. Der «Luzifer» erfuhr bald insofern eine Vergrößerung, als ein Herr Rappaport in Wien, der eine Zeitschrift «Gnosis» herausgab, mir den Vorschlag machte, diese mit der meinigen zu einer zu gestalten. So erschien denn der «Luzifer» dann als «Lucifer-Gnosis». Rappaport trug auch eine Zeitlang einen Teil der Ausgaben. «Lucifer-Gnosis» nahm den allerbesten Fortgang. Die Zeitschrift verbreitete sich in durchaus befriedigender Weise. Es mußten Nummern, die schon vergriffen waren, sogar zum zweiten Male gedruckt werden. Sie ist auch nicht «eingegangen». Aber die Verbreitung der Anthroposophie nahm in verhältnismäßig kurzer Zeit die Gestalt an, daß ich persönlich zu Vorträgen in viele Städte gerufen wurde. Aus den Einzelvorträgen wurden in vielen Fällen Vortragszyklen. Anfangs suchte ich das Redigieren von «Lucifer-Gnosis» neben dieser Vortragstätigkeit noch aufrecht zu erhalten. Aber die Nummern konnten nicht mehr zur rechten Zeit erscheinen, manchmal um Monate zu spät. Und so stellte sich denn die merkwürdige Tatsache ein, daß eine Zeitschrift, die mit jeder Nummer an Abonnenten gewann, einfach durch Überlastung des Redakteurs nicht weiter erscheinen konnte. In der Monatsschrift «Lucifer-Gnosis» konnte ich zur ersten Veröffentlichung bringen, was die Grundlage für anthroposophisches Wirken wurde. Da erschien denn zuerst, was ich über die Anstrengungen zu sagen hatte, die die menschliche Seele zu machen hat, um zu einem eigenen schauenden Erfassen der Geist-Erkenntnis zu gelangen. «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» erschien in Fortsetzungen von Nummer zu Nummer. Ebenso ward der Grund gelegt zur anthroposophischen Kosmologie durch die fortlaufenden Aufsätze «Aus der Akasha-Chronik». Aus dem hier Gegebenen, und nicht aus irgend etwas von der Theosophischen Gesellschaft Entlehntem erwächst die anthroposophische Bewegung. Dachte ich bei meinen Niederschriften der Geist-Erkenntnisse an die in der Gesellschaft üblichen Lehren, so war es nur, um dem oder jenem, das mir in diesen Lehren irrtümlich erschien, korrigierend gegenüberzutreten.
[Hervorhebung d. Red.]