LyrikZeit ... die Spur von

Stefan Bagnewski
* 1963 aus Dülmen

Parisgedichte


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Mona Lisa

Du bist die Schöne mit dem Namen Geist.
Der makellose Schatten deiner Schläfen
verhindert, daß dich kalte Blicke träfen;
was magst du denken, wenn du alles weißt?

Du bist der Blick nah außen und nach innen,
und, eingedenk des eignen Seelenbaus,
da lächelst du wohl mich und andre aus
und siehst die Welt wie eine Sanduhr rinnen.

Man hat dich in ein Glas gesperrt, gefangen,
damit dich keiner stört. Die Massen kommen
und sind enttäuscht, denn du bist still und fein.

Doch manchen hast du einzeln fortgenommen
hinein in jenen Schleier deiner Wangen
und in das Licht von Brust und Stirn hinein.


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Venus von Milo

Du bist  die Schöne, deren Körper lebt.
Was macht es schon, daß deine Arme fehlen?
Man müßte dir den Rumpf, die Brüste stehlen,
damit sich dieser Eindruck überhebt.

Du bist der Bauch, der sich im Atem teilt,
die Wölbung, die den Muskel sichtbar macht.
In deinem Bauch ist eine Kraft erwacht,
die an sich zieht und die im Innern heilt.

Ich hatte dich für lebensgroß gehalten,
noch als ich dich betrachtete und war
verwirrt; du bist viel größer auf dem Stein. 

Und jede andre würde riesig sein
und uns als Zwerge in die Welt gestalten:
Du bist das Ebenbild. Du zeichnest klar.


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Die große Zeder kommt nach Charles de Gaulle.
Der letzte frei Baum markiert Paris.
Bald sehn die Augen nur noch Stein und Kies
und Straßenzüge breit und hoch und hohl.

Die Autos fahren wie ein Bienenschwarm,
hier brummen sie in einem Ampelstau,
dort schwärmen sie aus einem Tunnelbau,
ein Imker winkt verkleidet als Gendarm.

Und unter dem herrscht ein Termitenleben,
da dröhnen Metros durch die schwarze Nacht.
Die Menschen wirken alle durchgewacht
und schweigen, sitzen oder stehen eben.

Stationen sind erleuchtet helle Flecken
mit Bilderschrift, die sich zu häufig gleicht,
bis daß man abgestumpft sein Ziel erreicht,
um dort die Oberwelt neu zu entdecken.

Man lebt von Käse und Baguette auf Bänken,
in Parks, die uns in Deutschland staubig wärn.
Ein Glück, daß wir Paris komplett verehrn,
sonst würden wir darüber kritisch denken.

Doch dafür gibt es schöne Steinfiguren,
auch Plastik und Metall sind etabliert.
Die Gitterzäune sind in Gold verziert,
und uns begegnet hier Kultur in Spuren.

Kastanien werden Pilze mit der Säge
und Linden Blumensträuße im Rondell.
Daneben plätschert schön ein Brunnenquell,
ein grüner Gang zeigt echte Heckenpflege.

Auch Straßenbäume werden stets beschnitten,
so daß sie kümmerlich in Fluchten stehn.
Die einzelnen Platanen sind nicht schön,
sie haben - knotig, schütter - viel gelitten.

Doch im Café herrscht Lebensart und Flair,
man trinkt an kleinen Tischchen nur "Expres",
schaut auf die Straße, redet unterdes
und wer im Stehen trinkt, kommt von hierher.

Der Ober ist livriert und voll Routine.
Wenn man französisch spricht, spricht er anglais,
nur unter seinesgleichen sagt er: Ouäh
und diskutiert mit sehr beredter Mine.

Die Presse gibt's in runden Straßenläden,
in Bücherläden wird sehr gern gewühlt,
der Müll wird durch die Gosse weggespült,
vom Pflastertreten kriegen Füße Schäden.

Die Hundehaufen werden, da sie stören,
ins Saugmobil befördert und beseitigt,
und wen nun selbst Verdauung überzeitigt
der wendet sich an grau-ovale Röhren.

Die Seine fließt  in angelegten Mauern,
bei Sonne wirkt das freundlich, hell und froh.
Wer Glück hat, sieht noch heimlich irgendwo
Clochards, wenn sie auf Polizisten lauern.

Sonst sieht man mehr Touristen als Pariser
und hört mehr Sprachen, als das Ohr verträgt.
Und wenn man jemand nach dem Louvre frägt,
dann schickt er einen auf die grüne Wiese.

Und überall stehn an bekannten Ecken
Verkäufer, schwarz, mit feilgebotnen Waren.
mit Luftballons, Armreifen, sonderbaren
Wertgegenständen, die das Auge necken.

Zumeist gerät man so an Souvenirs.
Der Kenner freilich geht zu Ladenkisten
am Ufer, denn da stehn die Boukinisten,
und sucht sich was kraft eignen Kunstgespürs.

Zu Hause schenkt man also seinen Freunden
ein echt Pariser handbuyd Souvenir,
zeigt Fotos: Da der Louvre! Das sind wir!
in internationalen Fangemeinden.

Verbreitet so Romantik in die Ferne,
die in der Stadt tatsächlich spürbar ist,
wenn man sein angestammtes Sein vergißt,
im Hollywood Europas, Platz der Sterne.


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Für Elyse

O
Champs Elysee
O
Champs Elysee
O Champs Ely
O Champs Ely
O Champs Ely
O Champs Ely
O Champs Elyselyse
O Champs Elysee


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Der trumpft

Der trumpft, der Bogen,
der trumpft gewaltig,
der Trumpfbogen.

Der trumpft gigantisch,
der Bogen, Bogen,
der Trumpfbogen.

Von weitem wie ein Spielzeug,
er wächst, er wächst, er wächst,
und plötzlich aus der Nähe
ins Übermaß gehext.

Ein riesengroßer Bauklotz,
ein Stück aus Celluloid,
drei-Dimensionen-Kino
für große kleine Leut.

Der trumpft den ganzen Bogen,
der übertrumpft den Bogen,
der trumpfgetrumpfte Trumpf.


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Schwarzer Trommler vor Beaubourg

Beaubouououourg
Be bou bou bou bou bou bou bou
Bebouourg

Beaubouououourg
Be bou bou bou bou bou bou bou
Bebouourg

Bebououououououououououourg

Bebououououououououououourg

Bebouourg    be bebeb
Bebouourg    be bebeb
Bebouourg    be bebeb
Bebouourg    be bebeb

Be bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou
Bebouourg
Be bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou
Bebouourg

Bebebeb bou bou
Bebebeb bou bou
Bebebeb bou bou
bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou bou
Bebouourg
Be bou bou bou ...


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Centre Pompidou

POMPI POMPI POM CCCC
entre entre entre CCC entre
POMPI  PO  CCC  POMPI
dou dou  CCC dou dou dou
POM CCC POMPI  POMP
CCCC entre entre entre ent


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Du Pyramid im Louvre,
moderne Pyramid
moderne Pyramid
moderne Pyramid
Du bist ein neues Ouvre,
ein Ouvre
ein Ouvre


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Der Eiffelturm steht auf der Mikrowelle,
als Souvenir gefällt er mir nicht schlecht.
Hier hat er seine wohlvertraute Stelle,
hier wirkt er menschlich angenehm und echt.

Unecht wirkt er in Wirklichkeit, der Riese,
der Riesenriese namens Eisenfuß,
Rakete oder Ufo ohne Düse,
berühmter, tausendfacher Kartengruß.

Wie kam er bloß in diese Stadt geflogen,
das ist kein Bauwerk, das ist ein Konstrukt,
ein Hirngespinst, er steht wie hingelogen,
als hätte sich die Welt an ihm verschluckt.

Vielleicht ist er in Wirklichkeit Hypnose,
samt Fahrstuhl, Touris, Pamoramablick.
Er sieht so ungewöhnlich aus, so lose,
vielleicht ist er von Copperfield ein Trick?

Am schönsten wirkt er nachts in vielen Lichtern,
da hat er was von einem Weihnachtsbaum.
Und Kirmes liegt auf staunenden Gesichtern,
und alle haben einen Riesentraum.


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Katakomben

Dort unten stehen viele Sprüche
von Dichtern und heiligen Büchern,
und einer geht ungefähr so:

"So wie die Ackerblume
zur Sonne sich hebt und erblüht,
so auch der Mensch in seinem Tod.
Sein Leib zerfällt zur Krume."

Ich habe außerdem gelernt
inmitten der Knochenberge,
vom Tageslicht zwanzig Meter entfernt:

Dass es viel, viel mehr Tote gibt
als Menschen im lebenden Sein.
Die Toten sind dort aufgerippt,
der lebende allein.


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Obelisk

Der Zahn der Zeit strahlt abends blau,
er steht auf einem Platz zur Schau,
dem Platz de la Concorde.

Er spricht mit Hieroglyphenwort
und wird von viel Verkehr umflort,
der blaue Zahn der Zeit.

Die Autos sind wie Wüstensand,
das kennt er aus dem fernen Land.


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Notre-Dame

1.

Den schlanken Säulen geht das Auge nach
zu schmalen Wänden und zu zarten Bögen,
die sich von selbst ins Hohe, Weite zögen
zu jenem überhohen, fernen Dach.

Aus Fenstern fällt das Licht in einer Schwingung,
die eine andre Atmosphäre schafft.
Daraus entsteht ein Feld der andren Kraft,
weit jenseits von Verstand und von Bedingung.

Der Raum ein Kreuz, der einzelne Besucher,
ein Korn auf seinem Grund, und diese Massen
wie Ähren, tief im Wind.

Und jeder kann doch seine Seele lassen
und staunen in die Fenster wie ein Kind.
Und draußen prangt die Welt wie blinder Wucher.

2.

Von hinten links, da meint man, dass ein Tier
am Boden kauert.
Ein mittelalter Drache im Revier,
so dass man schauert.

Wie ein Insekt mit angezognen Beinen,
so hockt er da,
gefährlich, sprungbereit, so will es scheinen.
erschreckend nah.

Doch eine Spitze grad in seinem Rücken
hat ihn durchbohrt.
Jetzt harrt da für immer unsern Blicken,
auf seinem Hort.

3.

Im andern Sinn reißt jenen scharfe Spitze
ein Loch wie rasend in den Himmelsduft
und Energie fließt aus der Himmelsritze
hinunter ins Gebälk, die Drachenkluft.

Und in das Herz der Kirche, ihre Mitte,
fließt Energie durch jenes Himmelsöhr.
Und dieser Bau bezeugt Gebet und Bitte
und bietet allen Betenden Gewähr.


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Im Pantheon, da liegen große Tote,
der größte liegt im Invalidendom,
das ist Napoleon, der Riesengnom.

Wir halten nicht so viel von goldnen Dächern
und Marmorsärgen für Verstorbene.
Geschichte konserviert in Silberbechern
birgt das Verdorbene.


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Treppe vor Sacre-Coer

Oui, oui, yes, no,
I see und so,
tu viens from where,
amare sehr.

Your eyes are blau,
ma bella ciao,
el vino bon,
tu parles wovon?

Cantare well,
Gitarre belle,
ein schöner soir
to sit and voir.

Give little kiss,
my lovely Miss,
bisou, baiser.
favore nee.


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