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Günter Eich
Pseudonym Erich Eich
1.2.1907 im märkischen Lebus - 20.12.1972 in Salzburg
Begründer der poetischen Hörspiel-Gattung
Beiträge zur Kahlschlag- bzw. Trümmerliteratur der deutschen Nachkriegszeit
durch lakonische Gedichte wie „Inventur" und „Latrine"
1925 - 1932 an den Universitäten Berlin, Leipzig und Paris
Studien der Sinologie, Jura und Volkswirtschaft
1927 erste Gedichte in der u. a. von Klaus Mann herausgegebenen Anthologie jüngster Lyrik
1930 die Sammlung Gedichte
1929  Hörspiel Das Leben und Sterben des Sängers Caruso
(in Zusammenarbeit mit Martin Raschke)
1931 wurde es ausgestrahlt
auch erschienen in Raschkes Zeitschrift Die Kolonne (1930-1932)
hier Bekanntschaft mit Hermann Kasack, Eberhard Meckel und Peter Huchel
weitere  Lyrik, Kritiken, Hörspielentwürfe
monologischer Epilog zum Drama Der Präsident
1932  genügend Rundfunkaufträge, um als freier Schriftsteller existieren zu können
bis Ende der dreißiger Jahre 25 Hörspiele produziert
der Hörfunk bot Eich die Möglichkeit, von der nationalsozialistischen
Propaganda relativ unberührt tätig zu sein
1935 traurig-schöne Liebesgeschichte Katharina, in Das Innere Reich
1942 die Feldpostausgabe davon machte den Dichter auch in Soldatenkreisen bekannt
1939 musste Eich als Funker am 2. Weltkrieg teilnehmen
geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft
Dort kam er zur Zeitschrift Der Ruf
herausgegeben von Alfred Andersch und Hans Werner Richter
Durch dies wurde Eich Mitglied der Gruppe 47 und
1950 deren erster Preisträger
1949 Gedichtband Untergrundbahn, Einfluss der Naturlyrik Huchels
1950 Hörspiel: Geh nicht nach El Kuwehd!
1952: Blick auf Venedig - große Sprachvirtuosität
1951 Erstausstrahlung des innovativen Tongedichts „Träume"
mit seiner zentralen Forderung „Seid unnütz" -  entrüstete Hörerreaktionen
1953 Auszeichnung mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden
für Die Andere und ich (Erstausstrahlung 1952)
1953 heiratete Eich in zweiter Ehe Ilse Aichinger
unterstützte aktiv die Gründung der renommierten Literaturzeitschrift Akzente von Walter Höllerer
1956 Einige Bemerkungen zum Thema Literatur und Wirklichkeit:
„Ich schreibe Gedichte, um mich in der Wirklichkeit zu orientieren. Ich betrachte sie als trigonomische Punkte oder als Bojen, die in einer unbekannten Fläche den Kurs markieren. Erst durch das Schreiben erlangen die Dinge Wirklichkeit. Sie ist nicht meine Voraussetzung, sondern mein Ziel. Ich muß sie erst herstellen"
1959  Georg-Büchner-Preis
1962 Lesungen in Japan
1966: Anlässe und Steingärten (Auseinandersetzung mit der östlichen Kultur
Träume: „Seid unnütz!"
„Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwehren zu müssen!
…Tu das Unnütze, singt Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt"

1972 starb an einer Herzerkrankung

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Inventur

Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen.

Konservenbüchse:
mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

Im Brotbeutel sind
ein Paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie mir Verse,
die nachts ich erdacht.

Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

In amerikanischer Gefangenschaft verfasste Eich einige für die Kahlschlagliteratur der deutschen Nachkriegszeit beispielhafte, dabei aber immer auch meditativ-präzise Gedichte, darunter „Latrine" und „Inventur".
Beide wurden in die Sammlung Abgelegene Gehöfte (1948) aufgenommen, die mit verschiedenen Stilmustern – vor allem solchen der Romantik und des Jungen Deutschland – experimentiert.
Dabei wohnt selbst dem scheinbar strikt deskriptiven Duktus von „Inventur", der auf dem Missbrauch der Sprache im Propaganda- apparat der Nationalsozialisten reagiert -
„Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel
hier mein Rasierzeug
im Beutel aus Leinen"
noch ein subjektives Moment des lyrischen Ichs inne, mit dem es seine wenn auch geringe schöpferische Präsenz artikulieren kann:
„ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt"
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