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Franz Werfel
Prag 10.9.1890 - Berverly Hills 26.8.1945
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Mit Ausnahme des ersten Gedichtes, aus Franz Werfel Wir sind. Neue Gedichte Kurt Wolf Verlag, Leipzig 1913 |
So, jetzt will ich mich vor
die Türe
setzen und das Leben genießen
Walt Whitman in seiner Sterbestunde
Einmal, einmal,
Wir waren rein.
Saßen lein auf einem Feldstein
Mit vielen lieben alten Fraun.
Wir waren ein Indenhimmelschaun,
Ein kleiner Wind im Wind
Vor einem Friedhof, wo die Toten leicht sind.
Sahen auf ein halbzerstürztes Tor,
Hummel tönte durch Hagedorn,
Der Grillen-Abend trat groß ins Ohr.
Ein Mädchen flocht einen weißen Kranz,
Da fühlten wir Tod und einen süßen Schmerz,
Unsere Augen wurden ganz blau...
Wir waren auf der Erde und in Gottes Herz.
Unsre Stimme sang noch ohne Geschlecht,
Unser Leib war rein und recht,
Schlaf trug uns durch grünen Gang,
Wir ruhten auf Liebe, heiligem Geflecht,
Die Zeit war wie Jenseits, wandelnd und lang.
Wenn abends Heimkehr endlos durch die Gassen geht,
Erhebt ihr euch von eurem täglichen Gerät.
Zwei süße Näherinnen, noch vom Radgesang umspühlt
Jetzt wandelt ihr, von Wind und Müdigkeit gekühlt.
Entfacht daheim, ihr Kinder, euren Samowar
Und löst das leichte luftverspielte Haar!
Wie ruht der kleine Mond- und Lampenkreis
Auf Wand und Boden eures Zimmers weiß?
Nun gebt den Glanz der langen Glieder frei,
Umschlingt euch langsam, haltet euch ihr Zwei
Und zu des Himmels nachverebbtem Strahl
Schweb' eurer Küsse schwärmerische Zahl!
Für andre zieht nach Arbeits Fluch und Pein
Ein Abend blaß und voller Armut ein.
Wenn alle an zerwalkten Tischen stehn,
Euch ist bereitet Schönheit und Vergehn.
Nun geht im Haus der biedere Verräter um,
Die Nachbarinnen sind euch höhnisch stumm.
Doch ist auf jeder Lippe Tod und Rache da,
(Ha, der verruchten Küsse angeklagte Kette!)
Schlaft ein,
Schlaft ein in eurem Bette!
Dem tausendfachen Geist der Liebe seid ihr nah.
Ha! Noch habe ich
diesen Stern nicht verlassen!
Noch umfängt mich süß untätiges Leid.
Doch eh' mich Bestimmung der Seele
Flutet aufs morgige Gestirn,
Fließe ich noch durch die lange Welt-Nacht,
Flattre ich noch mit den Abgeschiedenen
Durch unerwachte Forste und Wiesen.
Süße sinken durch mich
Des Verlassenen weinende Bilder.
Eh' die ersten Stürme schmettern,
Eh' die fremden Strahlen fallen,
Eh' im bitteren Arm das furchtbare M o r g e n mich hält.