Else Lasker-Schüler
Elberfeld (Wuppertal) 11.2.1869 - Jerusalem 22.1.1945

"Die stärkste und unwegsamste lyrische Erscheinung des modernen Deutschland"
Karl Kraus

"Psalmistin der deutschen Avantgarde"
Walter Mehring

"Ich kann Ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langeweile,..."
Franz Kafka

"..erinnert mehr an Tonbandaufnahmen als an Briefe. Sie ist ein richtiger Germanistenschreck"
Erich Fried

"Else Lasker-Schülers Kunst ist sehr verwandt mit der Ihres Freundes, des blauen Reiters Franz Marc.
Fabelhaft gefärbt sind alle ihre Gedanken und schleichen wie bunte Tiere. Zuweilen treten sie aus dem Wald in die Lichtung: wie zarte rote Rehe.
Sie äsen ruhig und heben verwundert ihre Hälse, wenn jemand durchs Dickicht bricht. Sie laufen nie davon.
Sie geben sich ganz Preis ihrer Körperlichkeit. Else Lasker-Schüler trägt ihr Herz an einer goldenen Kette um den Hals. Sie ist ohne Scham: jeder darf es betrachten ..."
Klabund (1913)

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2005
zu ihrem 136. Geburtstagsfest

Der schwarze Schwan Israels
(Peter Hille)

Der schwarze Schwan

"Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte ... Ihre Themen waren jüdisch; ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch, eine Sprache reif und süß, in jeder Wendung dem Kern des Schöpferischen entsprossen.
Immer unbeirrbar sie selbst, fantastisch sich selbst verschworen, feindlich allem Satten, Sicheren, Netten, vermochte sie in dieser Sprache ihre leidenschaftlichen Gefühle auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen war."

Gottfried Benn, ihr Geliebter

Diese Seite ist zu Ehren unserer Prinzen-Prinzessin gemacht und will keine anderen Seiten konkurrenzieren. Wenn wir von anderen Textteile und Bilder übernommen haben, dann nur zur Verlängerung des Ehrenbandes; wir beanspruchen weder Authentizität noch Originalität, sondern singen mit im Fanchor, wir kümmern uns weniger um Spielregeln als um Leidenschaften ...
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Die besten Links:

 

Inhalt

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Aus dem Leben der Prinzen-Prinzessin:

Wir haben Text-Teile aus der Else Lasker-Schüler Online Bibliographie von Markus Hallersleben übernommen. Mit bestem Dank, dem Autoren.

Els
  • Vater: Aron Schüler, ehemals Reisender, später Privatbankier
  • Mutter: Janette Schüler-Kissing, Tochter eines Weinhändlers
  • Else dichtete sich ihre eigene Biogaphie:
    ihr Vater sei Architekt gewesen und habe kühne Aussichtstürme rund um Elberfeld gebaut, so kühn, daß die braven Elberfelder immer Angst hatten, die Türme könnten bei Sturm zusammenbrechen. Den Grossvater erhob Elses Dichtung in der Figur des Rabbuni zum Grossrabiner.
    Die Schülers zogen später in das gut- bis großbürgerliche Haus an der Sadowastraße 7. Dort erlebte Else eine behauste Kindheit. Sie dichtete, von ihrem Vaterhaus könnte man den Rhein sehen. Kann man aber nicht.
  • 1880 Besuch des Lyceum West An der Aue
    schwere Erkrankung ("Veitstanz"), danach kein Schulbesuch mehr, Unterricht durch Hauslehrer
  • 1890 Die geliebte Mutter stirbt
Els die Braut
  • 1894-1903 verheiratet mit dem Arzt Dr. Jonathan Berthold Lasker (dem Bruder des Schachweltmeisters Emanuel Lasker)
  • 1894 Übersiedlung nach Berlin
  • Für Arbeiten als Malerin und Zeichnerin wird im Berliner Tiergarten ein Atelier gemietet; später werden zahlreiche Einzel- und Buchpublikationen mit Zeichnungen, auch handkolorierten Illustrationen versehen.
  • 1897 Tod des Vaters
  • 1898/99 Begegnung mit Peter Hille und seinem Kreis - "Die Kommenden" und in der "Neuen Gemeinschaft" Lesungen und Künstlerfreundschaften
  • Erste Gedichtveröffentlichungen 1899 in "Die Gesellschaft".
  • 15.1.1899 Geburt des Sohnes Paul (Else nannte als Vater einen Griechen Alkibiades de Rouan, dann auch einen spanischen Prinzen, sie sei ihm auf der Straße begegnet...)
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  • 1902 Der 1. Gedichtband »Styx« erscheint bei Axel Juncker in Berlin
  • März 1903 Trennung von Peter Hille
    11.4.1903 Scheidung von Berthold Lasker
    m September 1903 gedruckte Anzeige: "Herwarth Walden/Else Walden (Else Lasker-Schüler) Vermählte"
  • 1902 Der 2. Gedichtband »Der siebente Tag« im Verlag für Kunst Berlin
  • 1903-1912 verheiratet mit Georg Levin, alias Herwart Walden, späterer Herausgeber der Expressionistenzeitschrift «Der Sturm».
    Sie lebten, wie man sagt, von der Hand in den Mund. Sie hausten in Hotelzimmern, in Berlin zumeist im Hotel Koschel (Sachsenhof), Motzstraße am Nollendorfplatz, und ärmlichen Dachstuben, die Künstler Berlins trafen sich im Café des Westens, die Berliner nannten es "Café Größenwahn"
    Auch die Ehe mit Walden war nur von kurzer Dauer. In ihren Beziehungen zu Menschen war sie unstet, leicht kränkbar, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt.
    So wie sie lebt, so schreibt sie: Unstet. Mal brillant und mal formal mies. Sie kann sich nicht stundenlang an den Schreibtisch setzen und stur ein Metrum abklopfen. Etwas fliegt ihr zu, es ist da. Dennoch: Deshalb hat sie einige der besten Gedichte geschrieben, die in deutscher Sprache verfaßt wurden.
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  • 1909 schreibt sie, wie sie behauptet, in einer einzigen Nacht das Schauspiel "Die Wupper". Sie schildert ihre Kindheitserlebnisse, die Welt in Wuppertal, ein bunter, beklemmender Bilderbogen.
  • Zahlreiche Veröffentlichungen von Gedichten und Prosa in "Der Sturm", "Die Aktion", "Das Neue Pathos", "Saturn", "Die Weißen Blätter", "Neue Jugend" u. a. Zeitschriften des Expressionismus, von 1909 bis 1911 auch in Karl Krauß´ "Die Fackel".
  • 1911 Es erscheinen »Die Briefe nach Norwegen«
  • 1912 lernt sie Dr. Gottfried Benn kennen
  • 1913 Der Essayband »Gesichte« erscheint,
    Begegnung mit Franz Marc, Franz Werfel ...
  • 1913 In Berlin erscheinen die »Hebräischen Balladen«
  • November 1913 Reise nach Rußland, besucht den Anarchisten Senna Hoy (Johannes Holzmann) im Gefängnis und bemüht sich vergeblich um seine Freilassung - er stirbt im April 1914:

Seit du begraben liegst auf dem Hügel,
Ist die Erde süß

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  • 1914 Der Gedichtband »Meine Wunder« wird veröffentlicht
    Begegnung mit Georg Trakel, den Brüdern Wieland Herzfelde / John Heartfield und George Grosz
  • Lesungen in Berlin (u. a. im "Neopathetischen Kabarett" 1910, bei Autorenabenden der "Neuen Jugend" 1917), vielfache Vortragsreisen u. a. nach München, Wien, Prag, Köln, Zürich.
  • 1917 Der Band "Gesammelte Gedichte" erscheint
    Teilnahme an der DADA-Premiere in Zürich
  • 27. 4. 1919 Uraufführung der "Wupper" im Deutschen Theater Berlin. Während der Weimarer Republik druckt vor allem das "Berliner Tageblatt" ihre Arbeiten.  
  • 1921 Die Erzählung »Der Wunderrabbiner von Barcelona« wird publiziert
  • 1924 Reise in die Schweiz und nach Venedig
  • 1927 Tod des Sohnes Paul am 14.Dezember
  • 1932 »Konzert« und »Arthur Aronymus« erscheinen
  • 1932 Kleist-Preis (zusammen mit Richard Billinger)
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  • 19. 4. 1933 Flucht in die Schweiz (Zürich), von wo sie schrieb:
    "Ich war hier voll Traurigkeit, wirklich voll Schmerz. Ich bin voll Trauer. Wie schön und unbekümmert war's doch in Elberfeld vor 1001 Jahren."
  • März bis Mai 1934 erste Palästinareise
  • Erste Veröffentlichungen in den Exilblättern "Die Sammlung" (Amsterdam), "Pariser Tageszeitung", "Der deutsche Schriftsteller" (Paris), später im "Orient" (Haifa), und in "Neue Zürcher Zeitung" und "Basler Nachrichten"
  • 19. 12. 1936 Uraufführung von "Arthur Aronymus und seine Väter" im Zürcher Schauspielhaus
  • Juni bis August 1937 zweite Palästinareise
  • 1937 Die Arbeit »Das Hebräerland« erscheint
Ausbürgerung 1938:

Geheime Staatspolizei                               Berlin SW 11, den 14.Juli 1938.
Geheimes Staatspolizeiamt                        Prinz-Albrecht-Str. 8

An den Reichsführer SS
und Chef der Deutschen Polizei
im Reichsministerium des Innern
Referat S-PP (II B9)
in Berlin
Betrifft:Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit der jüdischen Emigrantin Else Lasker geb. Schüler gesch. Levin,11.2.1869 in Wuppertal-Elberfeld geboren, letzter inl. Wohnsitz: Berlin, Motzstr. 78, jetziger Aufenthalt: Zürich.
Vorgang: Ohne.
Anlagen: 3 Durchschriften
Die jüdische Emigrantin Else Lasker besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie war die typische Vertreterin der in der Nachkriegszeit in Erscheinung getretenen »emanzipierten Frauen«. Durch Vorträge und Schriften versuchte sie, den seelischen und moralischen Wert der deutschen Frau verächtlich zu machen.
Nach der Machtergreifung flüchtete sie nach Zürich und brachte dort ihre deutschfeindliche Einstellung durch Verbreitung von Greuelmärchen zum Ausdruck. Ihre schriftstellerische Tätigkeit setzte sie fort und veröffentlichte Artikel in dem berüchtigten deutschfeindlichen »Pariser Tageblatt«. Ferner gab sie Schriften in dem deutschfeindlichen Verlage »Oprecht« in Zürich, dessen gesamte Produktion auf der Liste des schändlichen und unerwünschten Schrifttums steht, heraus.
Ich beantrage daher, der Jüdin Else Lasker die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Eine Vermögensbeschlagnahme und Verfallerklärung erübrigen sich, da Vermögenswerte im Inlande nicht festgestellt werden konnten.
Eine Erstreckung der Ausbürgerung auf Familienangehörige kommt nicht in Betracht, da die Lasker, die 2 mal verheiratet war, von ihrem letzten Ehemann rechtskräftig im April 1913 geschieden worden ist. Der aus der Ehe hervorgegangene Sohn Paul Lasker, 24.8.99 in Berlin geboren, ist bereits im September 1923 nach Wien verzogen. Nachteiliges über ihn ist nicht bekannt geworden.
Im Auftrage:
gez. Keller

  • April 1939 dritte Palästinareise; da, wegen Ausbruch des Krieges, Wiedereinreise-Visum von der Schweiz verweigert, endgültiger Aufenthalt in Palästina

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  • Januar 1942 Gründung des "Kraal" mit Lesungen und Vorträgen in Jerusalem
  • 1943 Der letzte Gedichtband »Das blaue Klavier« wird verlegt
  • 1945 Else stirbt am 22.Januar nach einem schweren Herzanfall,
    am Ölberg zu Jerusalem begraben

Heinz Gerling, Zeitzeuge (im Gespräch mit Hajo Hahn 1994):
"Natürlich hat sie Hitler und das Hitlerregime gehaßt. Deutschland und ihre Heimat aber hat sie geliebt. An einem Tage, als ich nicht im Büro war und zurückkam, war sie dagewesen und hatte mir einen Zettel dagelassen":

"Ich möchte nicht, daß Wuppertal bombardiert wird."

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Dichtung ist Wahrheit

Für Else war das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit nie ein Problem. Ihre Dichtung war Wahrheit, ihre Wahrheit war Dichtung. Sie hatte ein außerordentliche Bedürfnis   nach phantastischer Umformung, nach Kaschierung von Bereichen der privaten Sphäre. So gab sie sich Namen, die ihre Außenseiterposition betonten: Räuber, Vagabund, der über die Bürger lacht, Herumtreiber. Die Existenz als Frau in der bürgerlichen Gesellschaft lehnte sie rigoros ab. Äußerlich demonstrierte sie das durch das Tragen von Hosen und bunten Gewändern, durch kurzgeschnittenes Haar. Sie stellte sich dar als Prinzessin Tino von Bagdad, später als Jussuf, Prinz von Theben, der sein Reich anders regiert als die weltlichen Potentaten, und versuchte auf diese Art, Realitäten und Beziehungen, die Gegenwelt, nach der sie verlangte, anschaulich werden zu lassen.
Dieser Gestalt ihrer Phantasie passte sie selbst ihre eigene Identität an. Sie ließ sich ihre Haare kurz schneiden, für die damalige Zeit eine Sensation, trug weite Hosen orientalischen Zuschnitts, dazu klimpernde Ketten und Armreife, sowie Fußglocken. Auf der Straße blieben die Leute stehen, um dieser schillernden Person nachzusehen und nachzutuscheln.
Auch ihre Freunde nahm sie in diese Welt auf. Sie entwickelte ein Reich mit fließenden Grenzen, ein Reich ihrer Träume. Hier hielt sie Hof. Hier ernannte sie Fürsten und Hohepriester, schlug Freunde zu Rittern und kämpfte ihren eigenen Kampf und den für in Not geratene Freunde.

 

Jussuf , eine Art Selbstportrait...
um 1916:
«...der einzige männliche Lyriker von heute» (Karl Kraus),
«...der schwarze Schwan Israels, eine Sappho, der die Welt entzwei gegangen ist» (Peter Hille)

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... bis zum Lebensende

Quellenangabe:  Howard Weiss (Chicago) und Wolfgang Schmidt (Wuppertal)
Links: http://members.aol.com/woheisch/letzte.htm (deutsch)

http://members.aol.com/woheisch/letzte2.htm
(englisch)

Else Lasker Schüler gestaltete sich auch ihre letzen Lebensjahre in Jerusalem phantastisch, was ihr natürlich auch Schwierigkeiten mit der "äusseren Realität" brachte. Ihr Umgang mit dem Geld etwa entsprach nicht dem, was der vernünftige, sparsame Bürger für klug zu halten pflegt.  Nein, nein, sie starb nicht in völliger Armut, wie so gerne kolportiert worden ist. Sie erhielt Mittel aus dem Solidaritätswerk der Einwanderer aus Mitteleuropa und von dem reichen Kaufmann und Kunstmäzen Salman Schocken. Damit hätten einfacher gewickelte israelische Bürger bestimmt viele Jahre zu leben gewusst.
Aber Else gab ihre Rente für Talmi-Schmuck aus. Das war für sie der Kronschmuck Jussufs. Sie kaufte Dinge, die ihr momentan wichtig erschienen, ohne zu überlegen, wovon sie am nächsten Tag leben würde. So beschenkte sie Kinder und Bettler, speiste in guten Restaurants und verfütterte teuer erworbene Lebensmittel an die wildlebenden Vögel. Dabei war ihr Vorratsschrank leer. Sie besaß nicht einmal ein Bett, schlief in einem Liegestuhl, ihre Koffer packte sie nicht aus. Sie wurde auch jetzt nie seßhaft.
Die beschränkter empfindenden Biographen sagen dazu: "Sie hatte einfach keinen Bezug zum Geld." - Ihr Bezug war ein anderer, nicht ein der Diktatur der langweilig vernünftigen Lebensläufe verschriebener.
Obwohl nun alt und grau geworden, nur mehr gebückt gehend, pflegte sie weiterhin ihr exzentrisches Auftreten, ihre Liebe zu Tüchern, Federn und Tand, nebst einer Neigung zur Unsauberkeit. Damit erregte sie auch hier Aufsehen und Gespött. Man hielt sie in ihrer Nachbarschaft einfach für verrückt - war sie auch: ver-rückt phantastisch.
Auch im Alter hielt sie sich an keine gesellschaftlichen Konventionen. An Yom Kippur, wenn die jüdische Welt steng fastet, verzehrte sie in der Synagoge seelig ihre Schokolade. Personen, die sie daraufhin ansprachen, entgegnete sie grob: "Stören sie meine Andacht nicht!". Ihren Rabbiner nannte sie »unseren Pastor«, eine Zumutung für jeden gläubigen Juden. Ein andermal ging sie zu ihrem Rabbiner und fragte ihn: "Hier sind wir ja unter uns, glauben Sie an Gott?".
Sie war oft grob und böse, auch gegenüber ihr wohlgesonnten Personen. Ungewöhnliche Auftritte entschuldigte man aber mit ihrem Alter, dabei gestand sie Bekannten nachher: "Das habe ich mit Absicht gemacht."
Der Liebe entsagte sie selbst im hohen Alter nicht. So verliebte sie sich in einen um viele Jahre jüngeren und verheirateten Mann. Sie schrieb ihm glühende Liebesbriefe, und oft wartete sie stundenlang vor seinem Haus- alles nur um einen kurzen Blick auf ihren Angebeteten zu werfen.
Doch sie wurde immer schwächer und kränklicher. Erste Todesahnungen befielen sie:
"Mit mir geht es zu Ende, ich kann nicht mehr lieben."

Am 22.01.1945 stirbt die Prinz-Prinzessin Jussuf, und mit ihr das Königreich von Theben.

Tino
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Jussufs Häuptlinge
aus : Neue Jugend, 9/1916

Elses Königreich Theben:

Prinz Jussuf = Else Lasker-Schüler
Ruben oder der blaue Reiter = Franz Marc, der expressionistische Maler,einer ihrer besten Freunde
Dalai Lama oder Cardinal = Karl Kraus (Schriftsteller)
Prinz von Prag = Franz Werfel (Dichter)
Prinz von Moskau oder Senna Hoy = Johannes Holzmann (Verleger/Anarchist, den Elsa 1913 vergeblich in Moskau aus den Gefängnis frei zu bekommen versucht hatte. Er starb im April 1914)
Venus von Siam = Kete Parsenow (Schauspielerin, Elses langjährige Freundin)
Prinz Tristan = Hans Ehrenbaum Degele (Dichter)
Sankt Peter = Peter Hille (ihr Mentor und Dichterfreund, half Else ein Persönlichkeitsbild von sich zu entwickeln, das sich über das Faktische erhob)
Herwarth Walden = Georg Levin (Komponist, Schriftsteller... heiratete 1903 die neun Jahre jüngere Else)
Troubador oder Riese = Oskar Kokoschka (Maler)
Schwarze Leopardin = Tilla Durieux (Schauspielerin)
Gieselheer, der Barbar, der Heide = Gottfried Benn (1886-1956), ihr Geliebter (Arzt, Lyriker, Essayist)
Ritter aus Gold = Georg Trakl (Dichter )

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lyrik online hat Else Lasker-Schüler zu ihrer Prinzen-Prinzessin ernannt, weil sie durch ihre Dichtung und ihr Leben immer wieder versucht hat, die Würde der Leidenschaft der Einzelnen in der phantastischen Imagination als Wirklichkeit zu behaupten...

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An mich

Meine Dichtungen, deklamiert, verstimmen die Klaviatür meines Herzens. Wenn es noch Kinder wären, die auf meinen Reimen tastend meinetwegen klimperten. (Bitte nicht weitersagen!) Ich sitze noch heute sitzengeblieben, auf der untersten Bank der Schulklasse, wie einst ... Doch mit spätem versunkenem Herzen: 1000 und 2-jährig, dem Märchen über den Kopf gewachsen.

Ich schweife umher! Mein Kopf fliegt fort wie ein Vogel, liebe Mutter. Meine Freiheit soll mir niemand rauben, – sterb ich am Wegrand wo, liebe Mutter, kommst du und trägst mich hinauf zum blauen Himmel. Ich weiß, dich rührte mein einsames Schweben und das spielende Ticktack meines und meines teuren Kindes Herzen.

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aus dem Essay-Band "Gesichte": Meine Kinderzeit

Nach der Schule trafen wir uns auf der Wiese und legten dort mühsam Balken quer übereinander. Zwei meiner Spielgefährten setzten sich auf das eine Ende der Schaukel. Willy Himmel und ich aber bestiegen das lange Steckenpferd hoch in der Luft. Die beiden gegenüber flogen dann plötzlich jauchzend in die Höhe, immer wieder, wenn wir zwei, der Willy und ich, Rücken an Rücken gelehnt, den Balken mit unseren kleinen Körpergewichten herabdrückten. Sanken dann wie durch unsere eigenen Hüllen in das Gras des Sommers übergrünt hinein; immer wie ein warmer Faden zog's durch unsere Leiber. Wenn wir genug von diesem Spiel hatten, streckten wir alle die Zungen heraus, wer die längste habe, Walter Kaufmann beteiligte sich sehr überlegen an solchem »Unsinn«! Er war gelehrt, las die »Mappe« und wollte Professor werden. Und Pülle Kaufmann hatte immer eine belegte Zunge, aß seine Suppe nie, denn er lutschte viel Süßholz. Aber oft streckte er seine Zunge schwarz aus dem Mund; das kam vom Lakritz. Willy Himmel aber hatte ein rosiges Zünglein wie ein Engelchen, auch blickte ich neugierig oft in seine goldenen Augen, die waren garnicht angestrichen wie die meinen und die der anderen Jungens.

In der Früh fielen vom Birnbaum eines fremden Gartens mächtige Birnen herunter in unsere kleine Gasse, in Schülers Gasse. Manchmal schlich ich leise auf bloßen Füßen über die Treppe durch den Hausflur an zwei Amoren vorbei und sammelte die dicken Birnen in mein Nachtkittelchen. Einmal traf ich den Pülle, dem ich im Vertrauen von unserer Schlaraffenlandgasse erzählt hatte. Der Pülle Kaufmann trug heute keine Watte in den Ohren wie sonst; er war nämlich auch...

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