Else Lasker-Schüler (5)

Gedichte aus: "Mein blaues Klavier"
(Jerusalem 1943)

Inhalt

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Meine Mutter

Es brennt die Kerze auf meinen Tisch
Für meine Mutter die ganze Nacht-
Für meine Mutter .....

Mein Herz brennt unter dem Schulterblatt
Die ganze Nacht
Für meine Mutter .....

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Mein blaues Klavier

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.

Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier
-Die Mondfrau sang im Boote-
Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatür.....
Ich beweine die blaue Tote.

Ach liebe Engel öffnet mir
-Ich aß vom bitteren Brote-
Mir lebend schon die Himmelstür-
Auch wider dem Verbote.

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Gebet

Oh Gott, ich bin voll Traurigkeit...
Nimm mein Herz in deine Hände -
Bis der Abend geht zu Ende
In steter Wiederkehr der Zeit.

Oh Gott, ich bin so müd, o, Gott,
Der Wolkenmann und seine Frau
Sie spielen mit mir himmelblau
In Sommer immer, lieber Gott.

Und glaube unserm Monde, Gott,
Denn er umhüllte mich mit Schein,
Als hilflos noch und klein,
- Ein Flämmchen Seele.

Oh, Gott und ist sie auch voll Fehle -
Nimm sie still in deine Hände...
Damit sie leuchtend in dir ende.

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Jerusalem

Gott baute aus Seinem Rückgrat: Palästina
aus einem einzigen Knochen: Jerusalem.

Ich wandele wie durch Mausoleen -
Versteint ist unsere Heilige Stadt.
Es ruhen Steine in den Betten ihrer toten Seen
Statt Wasserseiden, die da spielten: Kommen und Vergehen.

Es starren Gründe hart den Wanderer an -
Und er versinkt in ihre starren Nächte.
Ich habe Angst, die ich nicht überwältigen kann.

Wenn du doch kämest.....
Im lichten Alpenmantel eingehüllt -
Und meines Tages Dämmerstunde nähmest -
Mein Arm umrahmte dich, ein hilfreich Heiligenbild.

Wie einst wenn ich im Dunkel meines Herzens litt -
Da deine Augen beide: blaue Wolken.
Sie nahmen mich aus meinem Trübsinn mit.

Wenn du doch kämest -
In das Land der Ahnen -
Du würdest wie ein Kindlein mich ermahnen:
Jerusalem - erfahre Auferstehen!

Es grüßen uns
Des «Einzigen Gottes» lebendige Fahnen,
Grünende Hände, die des Lebens Odem säen.

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Die Tänzerin Wally

Sie wandelt an den Nachmittagen
Durch ihrer Gartengänge grüne Heiligensagen
Von frommer Dämmerung ins Himmelreich getragen.

Die Bibelfrauen: ihre Feen…
Sie hört wie sie vom Leiden der Propheten klagen,
Die schon im Weltenanfang sahn die Welt verwehen.

Sie aber lernte auf den Spitzen ihrer Füße stehen
Von den Zypressen, die das Weltenende überragen.
Zu einem sanften Tanze hebt sich leicht ihr Gehen.

Zwei weiße Schäferhunde folgen ihrem Wagen,
Erzählen ihre Gliederweisen uns vom höheren Geschehen.

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Die Verscheuchte

Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt,
Entseelt begegnen alle Welten sich-
Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.

Wie lange war kein Herz zu meinem mild...
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.
Komm bete mit mir - denn Gott tröstet mich.

Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich?
Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild
Durch bleiche Zeiten träumend - ja ich liebte dich...

Wo soll ich hin, wenn kalt der Nordsturm brüllt?
Die scheuen Tiere aus der Landschaft wagen sich
Und ich vor deine Tür, ein Bündel Wegerich.

Bald haben Tränen alle Himmel weggespült,
An deren Kelchen Dichter ihren Durst gestillt-
Auch du und ich.

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Ich weiß

Ich weiß, daß ich bald sterben muß
Es leuchten doch alle Bäme
Nach langersehtem Julikuß -

Fahl werden meine Träume -
Nie dichtete ich einen trüberen Schluß
In den Büchern meiner Reime.

Eine Blume brichst du mir zum Gruß -
Ich liebte sie schon im Keime.
Doch ich weiß, daß ich bald sterben muß.

Mein Odem schwebt über Gottes Fluß
Ich setze leise meinen Fuß
Auf den Pfad zum ewigen Heime.

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Herbst

Auf einmal mußte ich singen…
Und ich wußte nicht warum.
Doch abends weinte ich bitterlich.

Es stieg aus allen Dingen
Ein Schmerz und der ging um –
Und legte sich auf mich.

Stürmische Wolkendepeschen
Erschreckend den Weltenraum;
Und die Beeren der Ebereschen
Die winzigen Monde am Baum.

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An Ihn Ich liebe dich ...

Ich liebe dich
Und finde dich
Wenn auch der Tag ganz dunkel wird
Mein Lebelang
Und immer noch
bin suchend ich umhergeirrt.
lch liebe dich!
Ich liebe dich!
Ich liebe dich!
Es öffnen deine Lippen sich . . .
Die Welt ist taub,
Die Welt ist blind
Und auch die Wolke
Und das Laub -
- Nur wir, der goldene Staub
Aus dem wir zwei bereitet:
-Sind!

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Dem Holden

Ich taumele über deines Leibes goldene Wiese,
Es glitzern auf dem Liebespfade hin die Demantkiese
Und auch zu meinem Schoße
Führen bunterlei Türkise.

Ich suchte ewig dich - es bluten meine Fuße -
Ich löschte meinem Durst mit deines Lächelns Süße.
Und fürchte doch, daß sich das Tor
Des Traumes schließe.

Ich sende dir, eh ich ein Tropfen frühes Licht genieße,
In blauer Wolke eingehüllte Grüße
Und von der Lippe abgepflüchte eben erst erblühte Küsse.
Bevor ich schwärmend in den Morgen fließe.

An Ihn

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