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Hermann Claudius
Langenfelde bei Hamburg, 19. [amtl. 24.] Oktober 1878  - Hamburg, 8. September 1980

 

Inhalt:


Land der ewigen Gedanken,
Deutschland, Deutschland, Jugendland!
Stehe fest und sonder Wanken,
Land der ewigen Gedanken,
In der Zeiten Wirbelbrand.

Land der unbesiegten Liebe,
Deutschland, Deutschland, Herzensland!
Mitten in dem Machtgetriebe,
Land der unbesiegten Liebe,
Halte du in Treuen stand.

Land der schwielen harten Hände,
Deutschland, Deutschland, Arbeitsland!
Fühle deine Zeitenwende,
Land der schwielenharten Hände,
Halt den Knechtegeist gebannt.

^up


APFEL - KANTATE

Der Apfel ist nicht gleich am Baum.
Da war erst lauter Blüte.
Da war erst lauter Blütenschaum.
Da war erst lauter Frühlingstraum
und lauter Lieb und Güte.

Dann waren Blätter, grün an grün,
und grün an grün nur Blätter.
Die Amsel nach des Tages Müh'n,
sie sang ihr Abendlied gar kühn.
Und auch bei Regenwetter.

Der Herbst, der macht die Blätter steif.
Der Sommer muß sich packen.
Hei, daß ich auf dem Finger pfeif:
Da sind die ersten Äpfel reif
und haben rote Backen.

Und haben Backen rund und rot.
Und hängen da und nicken.
Und sind das lichte Himmelsbrot.
Wir haben unsere liebe Not,
daß wir sie alle pflücken.

Und was bei Sonn' und Himmel war,
erquickt nun Mund und Magen
und macht die Augen hell und klar.
So rundet sich das Apfeljahr.
Und mehr ist nicht zu sagen.


^up

Wir Volk - wo kommen wir her, Mutter?
Aus aller Mütter Mütterschoß
kommen wir her - weit.
Euer Schoß ist die Ewigkeit,
Mutter.

^up


Heut abend ist die Erde aufgebrochen.
Ich schritt entlang dem Ackerrain
Und hab den Frühling da gerochen
Und sog ihn ein.

Und taumelte und wie im wachen Traume,
Als wäre es auch mir geschehn,
Das Wunder rings an Blatt und Baume,
Und blieb so stehn.

Und stand so lange still. Und mein Geblüte
War wie der Acker aufgetan,
Und alles rundumher war lauter Güte
Und sah mich an.

^up


To Bargstedt bi de ole Kark,
dar waßt en sünnerliche Bark. 

Nich ut de Eer, as anner ok.
Düß Bark, de hett ehrn egen Brok. 

Se waßt, as weer se em verswor’n,
hoch baben ut den Karkentoorn. 

Weet keener wull, woso dat kam’n.
Alleen de Bark, de steiht dar fram. 

Un steit bi Dagg und Nach’ und steit,
as wenn se jümmer beden deit...

^up


Jeden Morgen geht die Sonne auf
In der Wälder wundsamer Runde.
Und die hohe, heilge Schöpferstunde,
Jeden Morgen nimmt sie ihren Lauf.

Jeden Morgen aus dem Wiesengrund
Heben weiße Schleier sich ins Licht,
Uns der Sonne Morgengang zu künden,
Ehe sie das Wolkentor durchbricht.

Jeden Morgen durch des Waldes Hall'n
Hebt der Hirsch sein mächtiges Geweih.
Der Pirol und dann die Vöglein alle
Stimmen an die große Melodei.

^up


Daß zwei sich herzlich lieben,
Gibt erst der Welt den Sinn,
Macht sie erst rund und richtig
Bis an die Sterne hin.

Daß zwei sich herzlich lieben,
Ist nötiger als Brot,
Ist nötiger als Leben
Und spottet aller Not.

Daß zwei sich herzlich lieben,
Ist aller Welt Beginn,
|Macht sie erst rund und richtig
Bis an die Sterne hin.

^up


Wann wir schreiten Seit' an Seit'
Und die alten Lieder singen
Und die Wälder wieder klingen,
Fühlen wir es muß gelingen:
Mit uns zieht die neue Zeit.

Einer Woche Hammerschlag,
Einer Woche Häuserquadern
Zittern noch in unsern Adern,
Aber keiner wagt zu hadern:
Herrlich lockt der Sonnentag.

Birkenlaub und Saatengrün:
Wie mit bittender Gebärde
Hält die alte Mutter Erde,
Daß der Mensch ihr eigen werde,
Ihm die vollen Hände hin.

Wort und Lied und Blick und Schritt,
Wie in uraltew'gen Tagen
Wollen sie zusammenschlagen.
Ihre starken Arme tragen.
Unsre Seelen fröhlich mit.

^up


Seiner "maienfröhlichen Frau Gisela" hat Hermann Claudius
"Das Wolkenbüchlein" (1948)
gewidmet
(Rudolf Schneider Verlag, München
1979, wem die Gedichte gefallen, kann das Büchlein des Schneider Verlags, der das Copyright hat, kaufen):


Die Wolken glühen abendschön.
Mein Herz, was willst du traurig sein?
Sieh in das Leuchten nur hinein.
Laß alles Dunkle unter dir.

Denn was dich Untergehen dünkt,
ist aufgehn einer andern Flur.
Es ist doch alles Wandel nur.
Du mußt es wahrlich erst verstehn.

Die Wolken glühen abendschön.
Sieh in das Leuchten froh hinein,
mein Herz, und laß das Traurigsein.
Es kann und kann dir nichts geschehn.

^up


Die Erde war verdorben.
Die Wälder sind gestorben.
Die Städte standen auf.
Die Ströme wurden Knechte
dem sterblichen Geschlechte
in ihrem Gang und Lauf.

Das Meer mit seinen Riffen
befuhr der Mensch auf Schiffen
mit steuerkluger Hand.
Die Wogen mußten weichen
vor seinen sichern Deichen.
Und trocken lag das Land.

Allein der Wolken Herde
blieb göttliche Gebärde,
wie sie im Anfang war:
Das große Gotteswalten
der wandelnden Gestalten
und ewig wunderbar.

^up


Wolken sind Gedanken,
die am Himmel stehn.
Keine Schrift der Erde
schrieb sie je so schön.

Manchmal hingerissen
hart und wie im Zorn,
manchmal wie im Traume
leise und verlor'n.

Und seit Ewigkeiten
stehen so sie da,
eh' ein Menschenauge
noch nach ihnen sah.

Und in Ewigkeiten
werden so sie stehn,
auch wenn Menschenaugen
längst sie nicht mehr sehn.

^up


Am Himmel hob sich eine Hand
bis vor die Sonne hin und stand.
Und dunkel lag und stumm das Land.

Es wandelte sich die Gestalt,
ward drohend. Und die Tiere bald
vom Feld entflohen in den Wald.

Und immer größer wuchs die Faust.
Und alles Licht schien wie zerzaust.
Und immer größer wuchs die Faust.

Die Schwalben strichen scheu umher.
Es sang nicht eine Lerche mehr.
Und dunkles Schweigen war umher.

Das Schweigen saß am Waldesrand
und sah mit mir nach jener Hand,
die drohend vor der Sonne stand.

^up


Ich sah ein Wölklein schweben
weiß und zart und rund.
Ich lag, ihm hingegeben,
wohl in der Morgenstund'.

Wohl in der Morgenstunde
und konnt' nicht satt mich seh'n.
Und selig in die Runde
ließ ich die Augen gehn.

Und sah doch nur die eine,
die weiße Wolke ziehn
und fühlte ihre Reine
beglückend mich durchglühn.

^up


Es bläst der West die Wolken vor sich her.
Sein Hauch ist salzen wie das salze Meer.
Die Wolken ziehn wie Schiffe tief und schwer.

Erloschen ganz ist ihre bunte Pracht.
Sie tragen ungebärdig ihre Fracht,
womit das salze Meer sie schwer gemacht.

Sie bergen voreinander ihr Gesicht
und gönnen eine sich der andern nicht
und schauern hin und scheuen jedes Licht.

Und immer bläst der Wind sie vor sich her.
Sein Hauch ist salzen wie das salze Meer.
Und immer bläst der Wind sie vor sich her.

^up


Eine kleine Wolke hängt
über unserm Pappelbaum,
zart im Blau, du siehst sie kaum.

Wie so manches leise Ding,
das du heimlich überdacht
und das hinschwand wie die Nacht.

Daß es doch so leicht erlischt,
was das Allerschönste ist.
Ach, es hat nur karge Frist.

Eine kleine Wolke hängt
über unserm Pappelbaum,
zart im Blau, du siehst sie kaum.

^up


Die Wolken haben sich ausgeweint.
Auf allen Feldern stehn die Lachen.
Die Sonne kommt heraus und scheint,
will alles wieder lustig machen.

Zwei Wölklein stehen nur allein
und wiegen sich kokett im Blauen
und lächern sich, ihr Spiegelbild
in jeder Lache anzuschauen.

^up


Wolke ist Wunder im Licht,
deucht sie dem Flieger auch Nebel,
der ins Auge ihm sticht.
Wolke ist Wunder im Licht.

Wolke ist Werk und Gestalt,
immerwährende Wandlung,
die aus dem Innern sich ballt.
Wolke ist Werk und Gestalt.

Wolke ist tragende Kraft
aus dem ewigen Willen,
ganz sich selbst zu erfüllen,
wenn die Erscheinung sie schafft.

^up


Und Wolken können wahrlich Schlösser
sein mit ungezählten königlichen Räumen.
Du wirst empfangen dort mit deinen Träumen.
Und schweigend trittst du in die Hallen ein.

Und alles, was sie bieten, das ist dein.
Du kannst dir jeden letzten Wunsch erfüllen
und jeden Wunsch in seiner Tiefe stillen.
Und keiner weiß davon, als du allein

und jene Wolke dort im Abendschein.
Du kannst im Geiste traumhaft darin wohnen.
Und wie ein König kannst du darin thronen
mit aller deiner Lust und deiner Pein.

^up


Ich stand an einem Weiher,
der lag so blank und klar.
Und Trauerweiden hingen
und spiegelten ihr Haar.

Und eine weiße Wolke
durch seine Mitte zog
gleich einem leisen Locken,
daß es mich niederbog.

Doch kaum noch, daß ich's dachte,
vom Walde her ein Wind
fuhr jäh herab und machte
den schönen Spiegel blind.

^up


Du warst gleich einem Wehen
durch meine Seele hin,
als müsse mir geschehen,
davon ich fröhlich bin.

Gleich einer Wolke, welche
sich erdennieder bog,
aus deren hohem Kelche
der Acker Süße sog.

Und immer wieder, immer
sah ich der Wolke Wehn
und trank von ihrem Schimmer
wohl im Vorübergehn.

Bis daß es sich erfüllte,
bis daß es mir geschah,
was meine Seele stillte
und was mein Sehnen sah.

^up


Eine Abendwolke zieht
über das Gelände,
so als ob sie nirgendwo
eine Heimat fände.

So als ob sie längst vergaß,
wo sie einst geboren,
so als ob sie Zeit und Ziel
unterwegs verloren.

Und ich schau der Wolke nach
von des Gartens Pforte,
fühle freudig mich und froh
an dem sichern Orte.

Tief die Abendsonne taucht
sie in Purpurschimmer.
Und ich schau der Wolke nach
immer noch und immer.

Plötzlich aber fühl ich mich
wie an fremder Küste.
Und die ferne Wolke winkt,
als ob sie es wüßte.

^up


Vom Dach der schmale Schornsteinrauch,
er wäre gerne Wolke auch.

Die Wolken hoch vorüberziehn.
Es ist dem Rauch, sie grüßten ihn.

Schon ringelt er sich kühn hinauf
und setzt noch ein Gekräusel drauf.

Und noch ein Fähnlein oben dran,
so weit sein Atem recken kann.

Und sieh, da wirft der Abendschein
ein Lächeln in sein Mühn hinein.

Ein Lächeln, das er fröhlich trinkt
und modeselig niedersinkt.

^up


Die Welt war mir und alles drauf zuwider.
Ich rannte aus der Stadt, als ob sie brannte,
aufs freie Feld hinaus und rannte, rannte.
Und die ich ihr gesungen, meine Lieder -

mir war's als habe Leere sie verschlungen
und sie begierig in sich aufgesogen,
als hätten meine Lieder mir gelogen,
die Lieder, die ich ihr und mir gesungen.

Und wie ich ohne Atem stillgestanden,
sah ich am Horizonte auf sich bauen
und wunderbar und herrlich anzuschauen
und frei von aller Last und Erdenbanden

ein Wolkenbild. Ich sah es niederschweben
und aus den unermessenen Gottesweiten
die Hände segnend überhin mich breiten,
als habe Gott mir Flüchtendem vergeben.

Und war ein Singen um mich ausgegossen
und hob mich auf - ich weiß es nicht zu sagen -
als würde ich von Fittichen getragen
und wußte selig mich in mir beschlossen.

^up


Der Himmel hat voll Güte
die Wolken ausgestreut,
daß ich sie heimlich hüte
in dieser Morgenzeit.

Ich lehn an meinem Stabe
und schaue himmelan
und bin wohl wie ein Knabe,
der's nicht begreifen kann.

Und möchte doch in Ehren,
daß wir auf dieser Welt
dem Himmel offen wären
wie ich auf stillem Feld.

^up


Dort, wo die Firne und Gletscher sind,
möchten die Berge zu Wolken sich heben.
Aber sie stehen starr im Wind,
können sich seinem Willen nicht geben.

Und die Wolken wissen darum.
Und sie lagern sich voller Lüste
gern den Riesen um Haupt und um Brüste.
Und die Berge tragen es stumm.

Dort, wo die Firne und Gletscher sind,
möchten die Wolken wohl Berge scheinen.
Aber da packt sie ein rascher Wind.
Und sie müssen wie Kinder weinen.

^up


Regen der kam wolkenher,
doch er weiß es schon nicht mehr.
Tropfen fallen hinter Tropfen,
die mir an mein Fenster klopfen.
Rinnen an der Mauer nieder,
Tropfen rinnen immer wieder.
Rinnen Blatt entlang und Blume,
dringen in die Ackerkrume.
Deucht zu Ende hier ihr Lauf,
doch sie steigen wurzelauf.
Was aus Wolken sich verlor,
steigt zum Lichte still empor,
trinkt in Blüte und in Blatt
sich in Sommersonne satt.

Tropfen kommen wolkenher,
doch sie kennen sich nicht mehr,
bis unsichtbarlich und leise
auf geheimnisvolle Weise
fortgetragen von dem Wind
Tropfen wieder Wolke sind.

^up


Kleine weiße Wolke am Himmel -
was will sie doch?
Da steht sie im Blauen
gar köstlich zu schauen.
Und da wird mir zu Sinn,
als ob ich selber der Himmel bin
und die kleine weiße Wolke
zöge durch mich hin.

Da steht sie im Blauen
noch immer zu schauen.
Kleine weiße Wolke am Himmel -
was will sie doch?

^up


Wenn ich es sage, ihr scheltet mich wohl ein Kind:
daß mir die Wolken der Mantel Gottes sind,
der Mantel, den Er, von seiner Schöpfung bewegt,
in hundert Falten um seine Erde schlägt.

Darunter die Sonne, rund und rot und schwer,
ist, als ob sie Sein pochendes Herze wär'.
All Seine Sterne durch die Falten hin
sind wie Winke von einem verborgenen Sinn,
den ich mit Worten nicht entkleiden will,
lasse die Augen lieber weiden still.
Und rinnen gleichwohl ihre Bilder mir aus der Hand,
sind sie doch Arabesken nur am Rand.

Oft und oft dann leuchtet es heimlich und hehr,
als ob der Herrgott selber am Walten wär'.
Magischer Schein und Gestalt und magischer Gang,
wie von Engelsstimmen ein himmlischer Sang,
daß es in tiefster Seele mir freudig und bang.

Reckt sich der alte Kirchturm, ihm näher zu sein,
schwankend höher hinauf in den lockenden Schein.
Ist es mir selber, ich schwanke. Und wolkenwärts
rette und bette ich anbetend mein Herz.

^up


Das kann kein Maler malen
und sagt auch kein Gedicht,
wenn aus den Abendwolken
das Leuchten niederbricht.

Ich geh in meine Kammer.
Und ist es mir geschehn,
als habe ich Gott selber
ins Angesicht gesehn.

Und in mir ist ein Leuchten
und eine Ahndung leis',
als ob der Ewige oben
um meine Andacht weiß.

^up


Im Garten unser Apfelbaum
in seinem Maienblütenschaum.
Ich schau ihn an voll Dankbarkeit,
und meine Seele wird mir weit.
Und wie ich ihn noch recht beschau,
da lächelt aus des Himmels Blau,
als sei des Wunders nicht genug,
ein rosenroter Wolkenzug.
Viel Wolkenköpfchen, dicht an dicht,
betupft mit rosenrotem Licht,
hinabgeneigt zum Baumesrand,
als reichten beide sich die Hand,
als ob im Mai, im Blütenmai,
die Erde ganz des Himmels sei.

^up


Und manchmal steht eine Wolke
leuchtend und allein,
lächelnd wie eine Mutter
und wiegt ihr Kindelein.

Matter wird und müder
schon der Abendschein.
Leise singt die Stimme:
Schlafe, schlafe ein - - -
- - - - - - - - - - - - - -

^up


Birke weiß und Wolke weiß
sah ich eben gestern
flüstern miteinander leis
wie zwei liebe Schwestern.

Birke hin und Wolke her,
mochte keine scheiden.
War wohl eine zarte Mär
zwischen ihnen beiden.

Wolke weiß und Birke weiß
eine bei der andern -
bis ein himmliches Geheiß
hieß die Wolke wandern.

^up


Der Morgen treibt die Lämmer,
die weißgeflockten aus.
Es leuchtet aus dem Dämmer
ihr lockiges Gekraus.

Die schimmernd-weiße Herde,
gedrängt nun dicht an dicht.
Mit zärtlicher Gebärde
umhütet sie das Licht.

Ich liege auf dem Rasen
und schaue ihnen zu
und seh die Lämmer grasen
in ihrer Himmelsruh.

Die schimmernd-weiße Herde -
wie sie mein Auge liebt!
Und daß es auf der Erde
noch immer Märchen gibt.

^up


Eine Morgenwolke stand
um den Mond in Blütenzärte.
Wohl wie eine Mädchenhand,
welche dreistem Blicke wehrte.

Und ich sah die holde Zier
langsam blassen und entschwinden.
Und ich werde nur in mir,
nur in mir sie wiederfinden.

Doch, da ich ein Dichter bin,
mög' es nicht mit mir vergehen
und der Stunde seliger Sinn
hinter diesen Zeilen stehen.

^up


Es schwebt des Mondes schmaler Kahn
im weiten Wolkenmeer.
Er leuchtet wie mit einem Span
nur leise um sich her.

Und Well' und Wasser wissen nicht
um ihre seltne Fracht.
Wie Augen liegen sie im Licht,
vom Schlafe zugemacht.

Und silberschmal das Segel steht,
verschwiegen glüht der Span.
Und endlos weit die Reise geht.
Und leise bebt der Kahn.

^up


Und zarte Abendröte
umwob der Wolke Rand,
als ob die Liebe böte
zögernd mir die Hand.

Doch ehe ich sie faßte,
und sann um ihren Sinn,
die zarte Röte blaßte
und schwand dahin.

^up


Wald, du heilige Wolkenwiege.
Weiß ich doch geheime Stiege
in der Göhrde wie am Brocken,
wo die jungen Wolken hocken,
wo die jungen Wolken liegen
und sich aneinander schmiegen,
wo die jungen Wolken steigen
heimelig im Tanzesreigen,

wo sie mit den Tüchern wehen,
wenn sie weinend von dir gehen
über die geheimen Stiege.
................................
Wald du, heilige Wolkenwiege.

^up


Die Wolken die vielen
mit Sonnenlicht spielen
gleich lust'gen Gesellen
mit blinkenden Bällen.
Sie wechseln mit Schnelle.
Nun dunkel, nun helle.
Sie können's nicht lassen,
einander zu fassen
mit schwebenden Händen.
Das Spiel will nicht enden.

Doch siehst du im Sprühlicht
der Sonne Gesicht nicht,
ob sie wohl mag zürnen
den schäkernden Dirnen,
den Wolkengespielen,
den munteren vielen.
Sie wechseln mit Schnelle,
nun dunkel, nun helle.
Und können's nicht lassen,
einander zu fassen
mit schwebenden Händen.
Und können's nicht enden.

^up


Wenn die Wolken wandern
über mir im Mai,
möcht' ich, daß ich wieder
eine Schwalbe sei.

Wie ich es vor Zeiten
wohl gewesen bin.
Durch die blauen Weiten
glitte ich dahin.

Und der blauen Ferne
wär'ich zugewandt.
Unter mir im Fluge
schwände Meer und Land.

Ließe ich mich wiegen
in der Winde Tanz,
nur ein zitternd Leben,
hingegeben ganz.

Schöne weiße Wolken
zögen mit mir hin.
Ach, ich möchte weinen,
daß ich's nicht mehr bin.

^up


Es war schon Mitte März. In meinem Garten
die Stachelbeeren trieben grüne Spitzen,
und der Holunder machte sich schon knotig,
und aus den Haseln stob es goldengrün -

da kamen sie ganz leise über Nacht
und ungesehn und warfen ihre Weiße
auf Garten, Acker, Wiese, Wald und Feld
und deckten auch die Häuser, daß sie fast
in all dem Weiß versanken, wie verschluckt.

Und wieder Winter war's. Und dennoch heimlich
ein ungewisses Schimmern wie ein Lächeln
lag hingestreut: es wird nicht lange dauern.
Als habe nur der Frühling sich zum Scherze
die winterliche Maske vorgebunden.

Doch aus der grauen Höhe fällt es weiß
und immer weißer aus den Wolken nieder,
die ungesehn den Himmel überhängen
von Ost gen West, von Norden bis gen Süd.
Wie eine Riesenhand, die ausgebreitet
es niederrieseln läßt in weißen Flocken
und unerschöpflich schier und ungesehn.

^up


Es ist wie Stummheit, ehe Sprache war
und alles noch Gebärde nur gewesen,
eh sich der Geist noch von dem Leibe hob.
Es ist wie ein Geschehen ohne Zeit
und Stundengang. Du weißt um keine Sonne
Nichts als die Riesenhand, die ungesehen
aus grauer Höhe her und unerschöpflich
mit weißen Schleiern alle Erde deckt.

^up


Das war die Wolke Mißmut,
sie stieg in mir und stand
und schattete die Seele
mit ihrer steilen Wand.

Und stand geballt und dunkel
und wich nicht von mir fort
und wollte sich entladen
in meines Mundes Wort.

In Blitz und Donnerrollen
und polterndem Gestein
und wildem Sturmesrasen
und jähem Wetterschein.

Da fühlte ich im Herzen
die Liebe mir erstehn
und sah die Wolke Mißmut
wie einen Rauch verwehn.

^up


Die Wolken sind zur Abendfeier
nun ausgespannt.
Darunter ruht in stiller Demut
das weite Land.

Und wie die Sonne langsam tiefer
und tiefer sinkt,
der Wolkenkranz nur immer heller
ihr Leuchten trinkt.

Das ist nicht müdes Licht des Tages,
nein, das ist mehr.
Das ist von Träumen um ein Morgen
schon trächtig sehr.

Ein überseliges Erwarten
ist ausgespannt
und wie ein Flügelschweben
das weite Land.

^up


Und unermessen gleißt des Himmels Blau
von einem Horizonte hin zum andern.
Es hebt kein winzig Wölklein sich zu wandern.
Und wie im Schlafe liegen Feld und Au.

Es ist, als hab' die Sonne keinen Halt
und möchte trunken dennoch danach langen.
Es steht der Wald wie in sich selbst verfangen.
Und nirgens grüßt dich Wesen und Gestalt.

Da reckt es sich vom Horizonte auf.
Und mitten in das trunkene Gegleiße
hebt eine Wolke ihre Blütenweiße.
Und sieh: ein Fähnlein flattert ihr vorauf!

Und alle Müdigkeit des Himmels schwand.
Du siehst die weiße Wolke strahlend ziehen.
Und alles ist zur Freudigkeit gediehen.
Und freudig atmet wieder Laub und Land.

^up


Pinsel und Farben her, daß ich es male:
die langgezogene lila Wolkenbank,
darüberhin ein rosenrot Gerank,
als säßen Götter bei dem Freudenmahle

und säßen dort in seligem Überschwange
und labten lächelnd sich am Feuerwein
und stimmten in ein tolles Singen ein,
verborgen hinterm sichern Wolkenhange.

Es ist mir fast, als hörte ich sie lachen,
wie nun der dunkle Vorhang jäh sich eilt
und sie, von meinem Blicke übereilt,
vor ihm entfliehn in ihrem Wolkennachen.

Doch Farben, Pinsel und Palette immer
sie wären auch noch jetzt nicht stumm geworden,
wie nun die Wolken sich zum Abschied borden
und leise sterben Duft und Glanz und Schimmer.

^up


Das weite braune Land liegt durstzerquält.
Die ausgedörrte Erde will sich spalten.
Es kann der Baum die Blätter kaum noch halten.
Und Gras und Kraut und Busch stehn wie entseelt.
Am Abend ballen Wolken sich zuhauf.
Doch will das holde Wunder nicht geschehen.
Du siehst am Horizonte sie vergehen,
als sauge sie der Himmel heimlich auf.

Und Gras und Kraut und Busch stehn wie entseelt.
Es kann der Baum die Blätter kaum noch halten.
Die ausgedörrte Erde will sich spalten.
Das weite braune Land liegt durstzerquält.

^up


Ein Wolkenweib stand mächtig wie ein Berg,
daß ich mich hinterm Busch verkroch, ich Zwerg.

Da sah ich in ein Vogelnest hinein.
Die Jungen waren nackt und wollten schrei'n.

Da stand ich denn zum andern Male bloß
und wußte nicht mehr, was, und riß mich los.

Und riß mich los. Und als ich aufwärts sah,
da war das Wolkenweib schon nicht mehr da.

Doch war es mir, als ob es heimlich lachte,
daß ich mich stillen Wegs nach Hause machte.

^up


Es riß sich eine Wolke los
vom Horizont und wild und groß
wie ein Trompetenstoß.

Wer war der Engel, der ihn blies?
Wer weiß es, was sein Ruf verhieß?
Wohin sein Rufen wies?

Und jäh erschrocken stand ich da,
als ob das Zeichen mir geschah.
Und stand erschrocken da.

Es riß sich eine Wolke los
vom Horizont und wild und groß
wie ein Trompetenstoß.

^up


Kam eine hohe Wolke
dunkel auf mich zu.
Und in der dunkeln Wolke
saßest du.

Und hattest einen Purpur
dunkel umgetan
gleich einer Königinne
und sahst mich an.

Und saßest da und sahest
mich an so tränenschwer,
daß mir die Lider sanken -
Und alles war nicht mehr.

^up


Ein Wolkenberg steht leuchtendweiß im Blau,
darunter grüne Halde, grüner Hügel.
Ihr Götter, gebt mir statt der Arme Flügel.
Mein Herz begehrt nach der geliebten Frau.

Voll Klarheit ist mein Herz und voller Licht
wie jener Wolkenberg dort hoch im Blauen.
Ich muß nur schauen, immer wieder schauen
und berge meine Sehnsucht im Gedicht.

^up


Eine Wolke war wie eine Schale
und als ob der Himmd sie mir böte
und als ob ich meiner Seele Nöte
wär' entbunden ein für alle Male,

hätte ich den Mut, daraus zu trinken.
Und ich sah wie Wein es darin rinnen.
Und es zog mich hin mit allen Sinnen.
Und ich hob die Hände wie ein Winken.

Doch indem ich strebte, sie zu greifen,
brach die Schale, war der Wein entflossen.
Ehe noch mein Mund des Weins genossen,
floß er hin in einem roten Streifen.

^up


Und als ich, Liebste, von dir fortgegangen,
in dunkler Nacht, blieb ich am Wege stehn
und habe zu den Sternen aufgesehn.
Und blieb mein Auge an den Sternen hangen.

Und dort am Wege packte mich ein Bangen,
es könne unserer Liebe Leid geschehn.
Und zu den Sternen warf ich auf mein Flehn,
als müßt' von ihnen Antwort ich empfangen.

Und die Erwartung gab mir halb schon Ruh.
Der Himmel schien gerüstet wie zur Feier
und deckte dann mit einem Wolkenschleier
die ungesprochene Antwort zärtlich zu.

^up


Es war nur ein Ding und gering, doch es war
mir lästig und ich war dawider
und fuhr mit den Fingern mir hastig durchs Haar
und rannte wohl auf und nieder.

Und als ich aus dem Hause trat,
noch immer der rasende Ringer,
da hob eine Wolke am Himmel die Hand
und drohte mit dem Finger.

^up


Die Wolken stehn wie eine steile Wand
blau-grau am Horizont und steigen höher.
Nun quellen Riesenblüten draus hervor,
hier leuchtend schwefelgelb, dort lila-dämmernd
mit scharfgezacktem Rand. Von allen Seiten
begegnen sich die scharfen Blütenzacken
zu einem Riesenstrauß.
Auf einmal zuckt es.
Und aus den Blüten fahren Feuerzungen,
die gierig nacheinander haschen. Gellend
aus unerkanntem Abgrund brüllt es auf.
Die Zungen fahren toller aufeinander
und lauter aus dem Abgrund brüllt die Stimme.
Es ist, als ob die Blütenstäbe brechen
und aus dem Grunde her graugrüne Blätter
sie überwuchern wollen. Noch ein Züngeln,
dann packt ein violetter Wirbel alles,
und aus dem Chaos rauscht die Wasserflut
gleich einem Opferstrom zur Erde nieder.
Das Hohe Fest ist aus, doch immer wieder
deucht dich ein süßer Odem in den Lüften,
als welke wo der Riesenblütenstrauß.

^up


Die Motore donnern, die Kabine bebt,
Sechstausend m hoch das Flugzeug schwebt.
Unter uns wanken Wolken-Giganten
gleich einer Herde
trunkener Elefanten.
Kein Blick mehr zur Erde.
Wuchtig die Wolken gelb-violett,
als wolle die Sonne aus ihrem Bett
eine neue Erde gebären,
als ob wir ausgestoßen wären
ins Uferlose - ununterbrochen.
Stewardessen bedienen, kein Wort wird gesprochen.
Die Herren blicken ins Börsenblatt
reisemüde und reisematt
zwischen Frankfurt, Rom, Istanbul.
Damen lehnen gelangweilt im Stuhl.
Ich selber -- da! Daß ich erschrecke:
die Wolken-Gigantendecke
gähnt - durch die Lücke,
bahnt sich für meine Augen die Brücke
zurück zur Erde,
der ich ihrer wieder teilhaftig werde.
Häuser - unsagbar klein,
als müßte es Kinderspielzeug sein ---
Motorenumfächelt
im Blau eine einzelne Wolke,
die lächelt.

^up


Ich sprach mit einer Wolke,
die am Himmel stand.
Doch eh' ich ausgesprochen,
die schöne Wolke schwand.

Ich sah am Himmel Wolken
kommen und vergehn,
doch meine schöne Wolke
hab' nie ich mehr gesehn.

So scheidet Nacht vom Tage
und Tag sich von der Nacht.
Warum hat Gott das Scheiden
und Meiden nur erdacht.

^up


Die Abendsonne - seht nur, seht,
wie eine Königin zu Bette geht!
Von Purpur ist ihr Nachtgewand.
Die Wolken sind ihr all zur Hand.
Sie stehen da in buntem Chor
und ziehen schon den Vorhang vor.
Und stehen golden, stehen rot.
Und stehen alle lichtdurchloht.
Und Hand um Hand noch scheidend winkt,
wie nun die Sonne untersinkt.
Wie sie verblassen, Zoll um Zoll,
weil nun die Herrin schlafen soll!
Und als sie längst die Lider schloß,
steht noch der Dienerinnen Troß
und lächelt auf das Bette hin,
darinnen schläft die Königin,
und bis mit stiller Hand die Nacht
den letzten Vorhang zugemacht.

^up


Es fuhr eine Wolke, gespreizt und riesengroß,
über den weiten Himmel hin wie ein springendes Roß.
Hoppla!
Ich kam gerade über die grüne Wiese daher.
Da mußte ich springen, schreiten mochte ich länger nicht mehr.
Hoppla!
Und so sprangen wir beide um die Wette, die Wolke und ich.

Es war wohl anzusehen sehr lächerlich.
Hoppla!

^up


Sahst du Wolken schon,
die den Mond umgaben?
Keine können so
deine Seele laben.

Schweigend schweben sie
um des Mondes Schweigen.
Und sie möchten gern
ihm ein Lächeln zeigen.

Doch der Mond, er hat
zu viel Leid gesehen.
Und so muß er denn
schweigend weitergehen.

Und der Wolkenkranz
durch die Silberweiten
wandert schweigend mit
in die Ewigkeiten.

^up


Steht überm Wald der Vollmond stillversonnen.
Er gießt das Silberlicht aus seinem Bronnen
und überträufelt und verbrämt den Wald.
Noch in der Ferne rollt ein müder Wagen.
Die Nachtigall fängt zögernd an zu schlagen.
Und horchend reckt sich eine Baumgestalt.

Und siehe: da erhebt sich ob den Bäumen
und dunlkelmächtig in das Silberträumen
ein Wolkendrache, aufgesperrt den Spalt.

Und weiter öffnet er den schwarzen Rachen.
Es ist, als hörtest du ein heiser Lachen,
das aus dem Walde dunkel widerhallt.

Es hat der Drache längst den Mond verschlungen.
Die Nachtigall hat angstvoll ausgesungen.
Nur noch der müde Wagen rollt von fern.
Der grimme Drache schiebt sich dunkel weiter.
Doch über seinem Haupte leuchtet heiter
und triumphierend fast ein heller Stern.

^up


Purpurn sah ich färben
sich ein Wölklein hüben.
Lieber will ich sterben,
als dein Herz betrüben.

Doch wie ich in Sinnen
nach dem Wölklein schaute,
merkt' ich, daß ich innen
mir es nur erbaute.

Wollt' es mir nicht taugen.
Doch ich lernt' verstehen:
dort vor meinen Augen
wird es nie vergenen.

^up


Ich sah im Abendscheine
eine Wolke stehn
golden überm Walde
hold und wunderschön.

Gleich einer Maid an Wuchse,
weiß und rot und braun,
und leicht und lieb gerundet
und köstlich anzuschaun.

Ich stand und sah und schaute
mich in das Bild hinein
und sprach zum Augenblicke,
er möge ewig sein.

Da sank die Sonne unter.
Und die so golden stand,
die wunderschöne Wolke
verblich, verzog und schwand.

^up


Es hat des Nordens Himmel,
sooft die Augen sahn,
mir seine Wolkenwunder
und willig aufgetan.

Und ob sie stumm geblieben,
sie waren doch beredt.
Bald war es wie ein Singen,
bald war es wie Gebet.

Bald war es wie ein Jauchzen
aus lieber Kinderzeit,
bald war es wie ein Weinen
um alles Weltenleid.

Bald war es wie ein Rufen
in meine Erdenhaft,
bald war es wie von oben
ein Strom von Himmelskraft.

Drum wende ich die Blicke
sooft den Wolken zu
und weite mein Geschicke
und tiefe meine Ruh.

Und ahne dann das Eine,
das alles lenkt und treibt,
und das in seiner Reine
uns doch verborgen bleibt.

^up


 

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